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APROPOS: Gesucht: eine Emmy Werner

15.03.2019 | Apropos, Feuilleton

Gesucht: eine Emmy Werner

Als ich vor der „Don Giovanni“-Aufführung bei der Abendkasse der Staatsoper vorbei kam, auf der ein großes Schild „Sold Out“ prangte, sah ich Dominique Meyer hoch vergnügt mit dem Mann in der Kasse plaudern. Ich bedauerte, keinen Fotoapparat bei mir zu haben, denn die Möglichkeit, einen Theater(Opern)-Direktor unter einem „Ausverkauft“-Schild zu fotografieren, ist zwar etwas, das in der Wiener Staatsoper öfter verkommen mag als anderswo, aber wahrlich nicht die Regel…

Womit ich beim Thema Volkstheater bin, das für das Jahr 2018 zugeben musste: 52,4 % Prozent Auslastung, sprich: das halbe Haus leer. Anna Badora hat ganze Arbeit geleistet und ein wunderbares Theater voll Tradition (und vor ihr auch noch mit Gegenwart gesegnet) in kürzester Zeit zugrunde gerichtet.

Nun kann niemand in die Zukunft sehen, und selbst die bösartigsten Theaterhasser hätten nicht ahnen können, was sie mit der Berufung dieser Dame (selbst wenn sie alles absichtlich hätten ruinieren wollen) angerichtet haben. Über verschüttete Milch zu weinen, macht auch keinen Sinn. Es ist einfach alles kaputt, man muss neu anfangen – eine Aufgabe, um die man niemanden beneidet.

Immerhin trauen sich 70 Persönlichkeiten zu, den Karren aus dem Dreck zu ziehen – so viele Leute haben sich nämlich um die Direktionsnachfolge am Volkstheater beworben. Schreckliche Idee, dass die Jury jetzt über all diesen Konzepten sitzen muss und unter der Verantwortung stöhnt, nicht wieder einen Flop-Direktor (genderfrei, alles drin) zu produzieren.

Für eine verklatschte Stadt wie Wien ist man übrigens erstaunlich diskret, eigentlich sickerte nur ein Name richtig durch. Und einen anderen kann ich mir mit Horror vorstellen: Ich denke, bevor man das Haus an Paulus Manker gibt (ungeachtet der legendären Verdienste seiner Eltern), könnte man es gleich selbst abfackeln, bevor er es tut…

Der Name, der immer wieder fiel, lautet Maria Happel. Eben erst hat man sie wieder auf der Bühne gesehen, in Ionescos „Stühlen“ im Akademietheater, eine Schauspielerin, deren Können und Format das übliche Maß übersteigen. „Nur eine Schauspielerin“, wird man sagen, „kann die das?“

Nun, ihre Ambitionen reichen über das Spielen hinaus, man hat allein in Reichenau eine Handvoll Inszenierungen von ihr gesehen, darunter einen brillanten „Zerrissenen“ von Nestroy. Sicher, es wäre besser das „Learning by Doing“, ein Intendant zu sein, nicht an einem so großen Haus wie dem Volkstheater zu beginnen. Aber in der Not?

Und die Not ist groß. Warum eigentlich kann ich mir vorstellen, dass Maria Happel eine richtige Entscheidung wäre, wie einst Emmy Werner es war? Weil Schauspieler wissen, wie wichtig sie für das Theater sind – viel wichtiger als die Verballhornung von Stücken durch willkürliche Regisseure, die aus Grillparzers „Ottokar“ ein Idioten-Kabarett machen.

Ich bin überzeugt, dass sich seit Max Reinhardts Tagen an seiner Erkenntnis nichts geändert hat, dass das Heil nur vom Schauspieler kommen kann. Vom guten Schauspieler, der ein Publikums ins Haus holt und ihm etwas mitgibt, wenn es wieder hinausgeht. So dass es das Bedürfnis hat, wieder und wieder zu kommen. Vielleicht könnte Maria Happel die Heilsbringerin sein. Die Jury hat jedenfalls eine Verantwortung, um die man sie nicht beneidet.

Renate Wagner

 

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