APROPOS: Fink und Fliederbusch
Arthur Schnitzler, ein Dichter, der mir persönlich viel bedeutet, hat ein witziges Stück geschrieben, von dem ich wünschte, es würde öfter gespielt. Es heißt „Fink und Fliederbusch“, und wenn darin ein junger Journalist unter verschiedenen Namen bei zwei Zeitungen gegensätzlichster Weltanschauung schreibt, kann er erst so richtig zeigen, was er kann. Nämlich alles und dessen Gegenteil gleich überzeugend behaupten…
Ja, ich kann, wenn ich es wollte, über ein- und denselben Theaterabend eine Hymne oder einen vernichtenden Verriß schreiben, das ist nur eine Frage des Handwerks und der Skrupellosigkeit. Aber da ich mich nie auf die Ebene eines ganz, ganz berühmten Kritikers (Name ist mir bekannt) begeben habe, der vor der Vorstellung mit den Worten „Es wird mir nicht gefallen“ in den Zuschauerraum stürzte, schreibe ich eigentlich das, was ich meine – egal, wem es gefällt und wem nicht.
Eine lange persönliche Einleitung zu einer Lächerlichkeit, die einen Nachschlag verdient. Gestern waren es die Don Kosaken, die man Wladimir Putin vorwarf, als er zu einer Hochzeit in die Steiermark reiste. Heute… bitte, sehen Sie sich das Video an: Er tanzt mit der Braut (rundum eine groteske Masse von Menschen, von denen jeder einzige in sein Handy starrt, um Fotos zu schießen), am Ende küsst er ihr die Hand, und sie macht einen Knicks. Nette Gesten beiderseits, einfach gutes Benehmen.
Und was lese ich darüber? Empörung über den „Kniefall“ (!!!) der Ministerin vor dem russischen Präsidenten! Wie bitte? Kniefall? Wie idiotisch muss man sein, um das aus dieser Szene herauszulesen, nur um daraus wieder einen Wirbel zu inszenieren? Kann der Journalismus, mit dem wir leben, noch tiefer sinken? Schlag nach bei Schnitzler: Man kann aus allem machen, was immer man will, was immer dieser oder jener Seite opportun erscheint. Nicht nur der Anstand, sondern auch die Stimme der Vernunft gehen gurgelnd im Medien-Schlangennest unter…
Welches Ausmaß von Schwachsinn mutet man den Lesern eigentlich noch zu? Ist da nicht langsam Protest angebracht?
Renate Wagner