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APROPOS: Entweder – oder

22.08.2019 | Apropos, Feuilleton

APROPOS: Entweder – oder

Kultur ist Politik, und Politik ist – wie man weiß und woran sie einen ununterbrochen erinnert – etwas Übles. Ich habe auch schon üble Aktionen beobachtet, Menschen aus ihren Funktionen einfach hinaus zu mobben. Aber so übel wie der Fall Christian Thielemann ist mir schon lange nichts vorgekommen.

Wenn man ihn bei den Salzburger Osterfestspielen nicht mehr will (wer eigentlich?), dann soll man seinen Vertrag nicht verlängern, was zwar peinlich, aber zumindest eine geradlinige Aktion wäre. Ihm Nikolaus Bachler vor die Nase zu setzen, war zweifellos eine himmelschreiende Gemeinheit. Zwei Männer, die, wie jeder weiß, nicht miteinander können. Ordinärer hätte man zu Thielemann nicht „Putz dich!“ sagen können.

Dass dieser nicht kampflos aufgibt – warum soll er, Salzburg ist gut für ihn, ist ein schönes, seit Karajan personalisiertes Festival, und er ist die Persönlichkeit, es zu tragen, zumal er ein großes Orchester hinter sich hat. Dass er jetzt rechtzeitig in den Kampf zieht, ist auch vernünftig. Er kann nicht mit Bachler, er will nicht mit Bachler, also muss es auf eine „Er oder Ich“-Alternative hinaus laufen.

Was den Salzburgern eingefallen ist, diese Situation herbei zu führen, wissen die Götter (vor allem der Gott der Intrige). Jetzt geht es dann ziemlich bald hart auf hart. Bachler lächelt im Hintergrund, hat Petrenko und die Münchner bzw. wahlweise die Berliner in der Hinterhand und kann sagen: Sind ja auch nicht schlecht, eine gleichwertige Alternative. Thielemann verbraucht vermutlich unendlich viel Kraft und Nerven und muss wissen, was er tut: Nachgeben wird er mit einiger Sicherheit nicht. Es kann, wie wir nicht nur aus dem Kino wissen, nur einen geben.

Nun kann man davon ausgehen, dass er der große Thielemann bleibt, auch wenn er die Osterfestspiele nicht mehr im Blumenstrauß seiner Verpflichtungen hat. Mit Dresden und Bayreuth wäre manch anderer ausgelastet, dass man ihn auch im Roscic-Wien mit offenen Armen nehmen wird (und gern auch mehr als bisher), ist auch nicht zu bezweifeln. Salzburg ist wichtig, aber nicht die Welt.

Andererseits – warum soll er gehen?

Und wieder einmal die Frage: Wer steckt dahinter? Dinge kommen nicht von selbst, und man muss kein Verschwörungstheoretiker zu sein, um zu wissen, dass derjenige, der Bachler auf diesen Posten geschoben hat, es einzig und allein mit dem Ziel tat, Thielemann los zu werden.

Aber warum nur, warum? Auf diese Frage weiß ich keine Antwort. Dass ein großer Dirigent immer noch wichtiger ist als ein Intendant, dessen Leistungen in München außerhalb Münchens nicht so groß erscheinen, wie es offenbar den braven Bayern einreden konnte. Ich meine – wenn man einmal im Leben die Möglichkeit hat, „La Favorita“ zu hören, und dann wandert Elina Garanca einen Abend lang zwischen Stühlen umher, dann wird man den Intendanten, der das zu verantworten hat, nicht so hoch schätzen.

Wie hoch man jedoch Thielemann am Dirigentenpult zu schätzen vermag, hat man selbst vielfach erlebt.

Also – wer steckt dahinter? Und warum? Aber das sind die Fragen, die der Durchschnittsmensch nicht beantwortet bekommt. Im Dunkeln die Fäden ziehen und ein Zerstörungswerk zu spinnen, ist ja wohl zu schön.

Und – wie kann das ausgehen? Für jeden vernünftigen Menschen ist Thielemann gegen Bachler keine Frage. Wenn es aber Bachler sein sollte, der für Salzburg übrig bleibt – ja, dann helfe ihnen Gott. Jeder möge bekommen, was er verdient und was er sich selbst eingebrockt hat.

Renate Wagner

 

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