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APROPOS; „Ein Kuß sorgt für Entsetzen“

26.08.2023 | Apropos, Feuilleton

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„Ein Kuß sorgt für Entsetzen“

Wer auf die Idee käme, mich der Misogyne zu zeihen, soll sich das überlegen. Seit meiner Jugend war ich eine bekennende „Emanze“, und was immer die zeitgemäße Variante sein mag (ich sehe da bei den Entwicklungen  nicht ganz durch), ich bin es noch immer. Was nicht heißt, dass ich meinen würde, Frauen haben immer Recht. Sie haben auch nicht mehr Rechte als Männer. Sie sind schlicht und einfach – gleichberechtigt. Wünsche ich mir zumindest.

Wie schwierig das Verhältnis der Geschlechter dennoch ist, zeigt der jüngste Vorfall. Also, wenn mich ein Mann – kein fremder Mann, ich kenne ihn – im Überschwang der Begeisterung (man hat schließlich eine Weltmeisterschaft gewonnen) auf den Mund küsst, mag das echt grauslich sein. Dann wische ich mir über den Mund, sage vielleicht „Arschloch“ oder knalle ihm eine. Aber ich werde nicht seine Karriere und sein künftiges Leben ruinieren, weil es der Meinungsterror unserer Zeit verlangt. Zumal er es sicher nicht aus böser, aggressiver, frauenverachtender Absicht getan hat…

Aber die Schlagzeile unserer Tage lautet: „Ein Kuß sorgt für Entsetzen.“ Geht’s noch? Kann man einen Mann deshalb erledigen? Merkt man nicht, wie sehr man im moralischen Taumel („Wir sind die Guten, wir lassen nichts durchgehen!!!“)  hier in widerlicher Selbstgefälligkeit übers Ziel hinausschießt? Weiß man nicht um die Unverhältnismäßigkeit, wenn man  (berechnend, wie ich meine) Mücken zu Elefanten macht? Einen künstlich hoch gekochter Medienwirbel, als ginge es um ein Kapitalverbrechen?.

Ich frage mich, wer die Menschen sind, die solcherart „Meinung machen“, Gesetze diktieren, moralische Todesurteile aussprechen. Was haben sie davon, außer sich gut zu fühlen?  Hat die „Tat“ noch irgendetwas mit der Schwere der Folgen zu tun? Nach vorläufiger Suspendierung und Disziplinarverfahren ist der spanishce Verbandschef für alle Zeiten angepatzt. Der spanische Sportminister hat schon versichert,  die Regierung werde sich um eine rasche Entfernung von Rubiales aus dem Amt bemühen. Statt von „Belästigung“ oder unappetitlichem Übergriff, was es war, ist von „Mißbrauch“ die Rede, als wäre die Spielerin brutal vergewaltigt worden. Die Welt hat jedes Maß verloren.

Und ich weiß – selbst wenn ich hoch und heilig versichere, dass ich nicht dafür (sondern entschieden dagegen) bin, Frauen gegen ihren Willen auf den Mund zu küssen, wird man mir genau das vorwerfen, weil ich die Fragwürdigkeit der überzogenen Reaktionen anprangere. Und einfach nicht verstehe, dass sich zum heutigen Meinungsterror einfach kein Widerspruch regt.

Wie sagte einst ein österreichischer Politiker – es ist Jahrzehnte her, als die Politik noch Rückgrat hatte und nicht ängstlich vor dem Zeitgeist buckelte: „Lieber Widerspruch als scheinheilige Anpassung.“

Renate Wagner

 

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