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APROPOS: Ein durch und durch frei phantasiertes Szenario

19.06.2018 | Apropos, Feuilleton

 

 

Ein durch und durch
frei phantasiertes Szenario

Man kann sich ja etwas vorstellen. Etwa, wie etwas gelaufen sein könnte. Reine Erfindung, keine Recherche. Bloß eine geringe Kenntnis darüber, wie Dinge in Österreich gehandhabt werden.

Da kommt ein Abgesandter, wer immer sich diesen sauren Job aufgelastet hat, zum Noch-Intendanten der Wiener Festwochen, die eben mit Ach und Krach zu Ende gehen.

„Hör mal“, sagt er, „solche Festwochen, solche Programme schauen wir uns nicht noch einmal an. Dein Vertrag geht zwar noch über drei Jahre, da wird sich finanziell schon was regeln lassen. Natürlich nur, wenn Du sagst, dass Du von selber gehst, also der Kulturstadträtin ‚den Vorschlag’ der einvernehmlichen Vertragsauflösung unterbreitest. Dann wahrst Du noch Dein Gesicht. Duck Dich ein bisschen und nimm ein bisschen ‚Schuld’ auf Dich, aber beschimpfe keinesfalls das Publikum.“

Und, aber das muss er wohl nicht hinzufügen, spiel’ ja nicht die Karte der „Rechtslastigkeit“, die an allem schuld ist, wie es der ebenfalls sehr erfolglose Direktor der Wiener Kunsthalle bei seinem freiwilligen (?) Rücktritt getan hat (Er sieht die Wirkungsmächtigkeit von Kunst in Zeiten der „nationalistischen Politik in Österreich“ und der momentanen „europäischen Situation“ als stark eingeschränkt, Zitat nach der „Presse“) – Du hast es schließlich mit einer tiefroten Stadtregierung zu tun, wo alles offen, links, demokratisch, fortschrittlich, menschenfreundlich und weiß Gott (weiß der Sozialismus) noch alles ist. Klar?

Wer weiß, wo der Bartl den Most holt, der geht darauf ein. Die neue Kulturstadträtin kann – indirekt – zeigen, dass sie mit den Fehlentscheidungen ihres Vorgängers aufzuräumen gedenkt. Da wird sie noch genug zu tun haben. Der Fall Anna Badora im Volkstheater ist leichter, da muss das Publikum nur noch zwei Jahre durchstehen, dann wird sich die gegenwärtige Direktorin nach eigenen Angaben nicht um eine Verlängerung bewerben. Na also. (Falls sie nicht – wie manch anderer auch – nach dem flotten Adenauer-Motto handelt: Was gebe ich auf mein Geschwätz von gestern.)

Was ist jetzt zu tun? Jetzt braucht es sehr viel Klugheit, Geschicklichkeit und Beurteilung von Persönlichkeiten hier, Erwartungen dort, um die Wiener Festwochen zurück zu pendeln: In ein Festival mit selbstverständlich modernem Anstrich, aber dennoch genügend Glanz und Anreiz, damit ein Publikum bereit ist, hinzugehen und dafür zu bezahlen.

Renate Wagner

 

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