Die Erniedrigten und Beleidigten
Eine kleine Präambel zu einem Fall, der für mich einfach zu empörend ist, um darüber zu schweigen…
Lange Zeit kannten Frauen kein anderes Ziel, als so zu sein „wie die Männer“. So gut wie die Männer? Eher so schlecht wie diese. Es gab Beispiele (Margaret Thatcher etwa), wo sich Damen in exponierten Positionen so rücksichtslos und skrupellos verhielten, dass Männer (neidvoll?) den Kopf schüttelten.
In der Frühzeit meiner Emanzipationsphase kaufte ich mir eine Tafel, die ich in meinem Arbeitszimmer aufgehängt habe (sie hängt noch immer dort): „Alles, was Frauen machen, müssen sie doppelt so gut machen wie Männer, Zum Glück ist das nicht schwer.“
Ja, damals konnte man darüber noch lachen.
Das eigentliche Thema, das mich erregt? Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer hat sich schon im Fall von Robert Meyer einfach skandalös benommen, indem sie einen Mann, der immerhin eineinhalb Jahrzehnte ein Wiener Haus zur Zufriedenheit der meisten (Kritik gibt’s immer) geleitet hat, mit einem regelrechten Fußtritt hinaus beförderte. Er hat das mit wunderbarer Würde und am Ende sogar mit Humor getragen.
Nun wollte besagte Dame Martin Kušej mit ähnlicher Vehemenz aus dem Burgtheater befördern. (Ich frage mich natürlich immer, wer dahinter steckt, aber dazu habe ich zu wenig Einblick.) Ich bin kein Fan von Kušej, habe immer gesagt, was ich von den Produktionen des Hauses (ob er selbst am Regiepult saß oder nicht) gehalten habe. Aber ich würde doch bei allen Einwänden einem Mann wie ihm, dessen Stellung im deutschsprachigen Theaterleben ich kenne, nie den Respekt versagen!
Genau das ist geschehen, und wenn es um die Neubesetzung des Burgtheaters nach fünf Jahren Kušej (es ist immer eine Beleidigung, wenn man nicht wenigstens einmal verlängert wird) nun dermaßen Medienschmutz gab, kommt so was (wie jeder von uns weiß – aber nein, die Presse ist ja unabhängig!) auch nicht von selbst und ungefähr. Sondern ist es wohl gesteuert.
Es wurde eine wahre Vernichtungsschlacht gegen Kušej geführt, Namen genannt und angebliche Namen im Ärmel versteckt, um die Unsicherheit zu vergrößern, es wurde ein Mann, der sich – zugeben – nie durch besonders Freundlichkeit ausgezeichnet hatte, in den Boden gestampft. Und nun lässt man auch mit der finalen Entscheidung auf sich waren – eine Nervenschlacht, deren Niederträchtigkeit nicht zu überbieten ist. (Das heißt, was Roscic – mit Unterstützung im Rücken – mit Jordan gemacht hat, war wohl ähnlichen Kalibers.)
Wie Philippe Jordan hat nun Martin Kusej das Fallbeil nicht abgewartet, sondern ist in die Offensive gegangen – ob man ihn will oder nicht, ist ihm jetzt egal, er will nicht mehr. Das Pressebüro des Burgtheaters hat Dienstag, um 12.22 Uhr folgende Erklärung ausgeschickt:
Meine Person und das gesamte Burgtheater wurden durch den späten und langwierigen Entscheidungsprozess zur Zukunft der Burgtheaterdirektion in eine unsägliche, das Haus schädigende Situation manövriert. Grundlage für die Zukunft meiner Arbeit als Direktor über meinen laufenden Vertrag hinaus ist uneingeschränktes Vertrauen von Seiten des Eigentümers. Dies ist offensichtlich nicht gegeben, daher ziehe ich meine laufende Bewerbung zur Fortsetzung meiner Direktion mit sofortiger Wirkung zurück.“
Das Ergebnis ist wohl dasselbe, der nächste Burgtheaterdirektor heißt nun auf keinen Fall Kušej – und die Beamten könnten sich, wenn sie ganz trickreich, verschlagen und gemein sind, auf die Lüge zurückziehen: Wir hätten ihn ja genommen, aber er will nicht…
Nein, er will sich nicht länger erniedrigen und beleidigen lassen, um den Titel eines Dostojewski-Romans zu paraphrasieren.
Es wird Aufschreie aller Art geben, sicher viel Jubel bei jenen Leuten, die sich vorgenommen haben, ihn zu stürzen. Jubel bei der Dame, die ihm nun wohl nachfolgt. Sie hat ja keine Ahnung, wie schwer sie es haben wird. Und sie soll sich nicht auf weibliche Solidarität verlassen – eines Tages bekommt auch sie das Wienerische Hackl ins Kreuz…
So wie Thielemann „heimatlos“ geworden, wird Martin Kusej einsehen, dass für ihn, den Kärntner Slowenen (was er immer betont), das Burgtheater – wohl einst Ziel aller Wünsche – ein Vernichtungsort war. Und dass das Leben weiter geht. Als freier Regisseur hat man es leichter. Er wird anderswo noch Freunde haben. Es muss nicht Wien sein. Denn Wien bleibt Wien, was bekanntlich eine gefährliche Drohung ist.
Ich hingegen kann meine Empörung über das Verhalten meiner Geschlechtsgenossinnen kaum bändigen. Dafür sind wir vor Jahrzehnten nicht angetreten, als wir um unsere Rechte kämpften. Das Recht auf schlechtes Benehmen, Tücke, Niedertracht – doppelt so fies wie die Männer?
Renate Wagner