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APROPOS: Christa Ludwig – das sind halt selige Erinnerungen!

26.04.2021 | Apropos, Feuilleton

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Christa Ludwig –
das sind halt selige Erinnerungen!

Nachrufe haben es so in sich, dass man automatisch in der Kiste der Superlative wühlt, und das ist schade. Denn wenn man sie wirklich braucht, scheinen sie dann abgegriffen. Aber, wie mein Freund Heinz Schramm-Schiessl schreibt, Christa Ludwig war für Musikfreunde, die ein paar Jahrzehnte hinter sich haben, tatsächlich „eine der wichtigsten Sängerinnen, die praktisch mein ganzes bisheriges Musikleben begleitet hat“. Und obwohl sie keine Anbetung heischende Diva war, sondern immer die nüchterne, trocken humorige Berlinerin blieb, ging einem bei ihr das Herz auf. Oder gerade deshalb.

Ich verdanke meiner Bewunderung für sie viel, etwa die intime Kenntnis von Brünnhildens Schlussmonolog. Diesen hat sie – weil sie es auf der Bühne doch nicht wagte – auf einer Langspielplatte aufgenommen. Ich weiß nicht, wie oft ich diese gehört habe (bis ich sie mit meinen bescheidenen Mitteln „mitsingen“ konnte). Auf der anderen Plattenseite waren „Herr Kavalier!“ (wie souverän und vergnügt hat diese Annina getrickst und geschmeichelt!) und „Orest!“ mit Walter Berry. (Auf der Bühne war sie allerdings eine atemberaubende Klytämnestra. Mit Birgit und Leonie. Wir haben’s gehabt.)

Ich hatte übrigens das Glück, Christa Ludwig von Zeit zu Zeit für Interviews zu begegnen, und so erzählte sie mir ganz offen, dass die Ehe mit dem wunderbaren Berry an künstlerischen Konkurrenz-Gefühlen gescheitert ist… Zwei so große Sänger, die sich ja auch geliebt haben müssen – und waren eifersüchtig auf einander, fragten sich, wer den größeren Erfolg gehabt hätte….!

Paul-Emile Deiber hat hingegen wunderbar zu ihr gepasst. Seine größte Leistung bestand darin, mit ihr nach Klosterneuburg zu ziehen. „Wir haben in Südfrankreich gelebt“, hat mir Christa Ludwig erzählt, „und ich bin dort die Wände hoch gegangen“. Deiber war bereit, „seine“ französische Welt hinter sich zu lassen und sich mit ihr in die Nähe von Wien zu begeben, wo sie „mit einen Sprung“ in der Oper war, was sie weidlich ausgenützt hat… Ein nettes Erlebnis – ich saß mit Christa Ludwig im Kaffeehaus, Deiber kam sie abholen, sie gab ihm ein Zeichen, dass er unsere Rechnung bezahlen sollte. „Dafür sind Männer da“, meinte sie.

Christa Ludwig hat übrigens die Nach-Karriere-Zeit durchaus genossen, ihr war kein Boden unter den Füßen weg gezogen worden. So erzählte sie mir, wie angenehm das Leben geworden sei, seitdem sie nicht jeden Morgen ihre Stimme befragen musste, wie es ihr denn ginge – die wahre Erleichterung nach einem Leben von eiserner Disziplin, ohne die eine solche Karriere nicht möglich gewesen wäre.

Ich bin Christa Ludwig noch öfter in der Oper begegnet, sie war von unersättlicher Neugierde darauf, was die anderen machten. Ich habe sie in der Pause immer angesprochen, und sie war immer bereit, sich ganz offen zu unterhalten.

Es war bei einem „Tristan“, und die Vergangenheit holte mich ein. „Niemand hat die Habet acht-Rufe so unvergleichlich gesungen wie Sie 1972 in Salzburg“, sagte ich ihr. „Ja“, erwiderte Christa Ludwig, „aber ich hatte auch Karajan als Dirigenten…“

Sie und die Großen, ihre Ortrud mit Böhm, ihre Marschallin mit Bernstein, die Venus, die „halbe“ Kundry mit Karajan (der hatte ja verrückterweise die Rolle zwischen ihr und Elisabeth Höngen geteilt), und was soll ich noch aufzählen? Aus meinem Erinnerungskasten fällt die Empörung, als Karl Löbl ihr zu sagen wagte, sie sei „keine Carmen“ (und wir am Stehplatz flüsternd diskutierten, ob sie eine sei…). Wie habe ich über ihre Dorabella gelacht! (Damals war „Cosi“ noch kein Trauerweiden-Stück mit lauter bösen Menschen.) Und ihr „Reverenza“ in Karajans „Falstaff“?!!!! Von der Spitzbübin zur Tragödin spielte sie die Klaviatur ihres Könnens souverän auf und ab.  In ihre Leonore unter Karajan habe ich mich einst verliebt, ihre Lady Macbeth und ihre „Tri karti“-Gräfin verursachten mir Gänsehaut. Und ihre Wozzeck-Marie neben Berry? Wie konnten sie eifersüchtig auf einander sein, waren sie doch beide so grandios? Das sind halt selige Erinnerungen der Opernfreunde…

Was immer sie tat – sie war die Ludwig. Wir haben sie geliebt. Aus vollem Herzen. Ohne Einschränkung. In ihrer Welt eine der Größten. Vielfach die Größte. Mir fehlen die Worte.

Renate Wagner

 

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