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APROPOS: Aus dem Nähkästchen…

05.07.2020 | Apropos, Feuilleton

Aus dem Nähkästchen…

Wenn nun „Post Meyer“ begonnen wird, aus dem Nähkästchen zu plaudern, müssen wir in diesem Fall nicht, wie alle es tun, ein Interview der „Oberösterreichischen Nachrichten“ nachbeten oder die APA paraphrasieren. Jetzt kann auch der Journalist, der brav den Mund gehalten hat, wenn es um „off the record“-Informationen ging, einiges aus erster Hand beisteuern.

Dass es sich bei Dominique Meyer und Franz Welser-Möst um keine „Liebesheirat“ handelte, erzählte mir die damalige Ministerin Claudia Schmied. Sie hatte Meyer vier Dirigentennamen genannt (die anderen drei erwähnte sie nicht namentlich), und Meyer hüpfte keineswegs vor Glück in die Luft, eine so tolle Persönlichkeit wie Welser-Möst angeboten zu bekommen. Vielmehr entschied er sich ganz pragmatisch für diesen, weil er hoffte, mögliche Einwände gegen den „Franzosen“ durch einen Österreicher abzufedern.

Am Anfang gab es, wie immer, große Worte, worum der Dirigent sich als Verantwortlicher kümmern sollte, wollte, würde, nicht nur Mozart und Janacek, sondern generell die Besetzungen im Haus…

Rausgekommen ist diesbezüglich rein gar nichts. Welser-Möst erzählte mir (das war 2014, ein paar Monate vor seinem Abgang, den er damals schon vor hatte), Meyer habe ihn von allen Entscheidungen fern gehalten, ihm keinerlei Informationen gegeben (den Spielplan der kommenden Saison hätte er am selben Tag erfahren wie die Journalisten), ihn nie in irgendwelche Überlegungen einbezogen, und außerdem sei er „total beratungsresistent“.

Nun konnte man auch sagen, dass Herr Welser-Möst seine Ellbogen hätte einsetzen können und sich seinen Platz erkämpfen. Aber erstens ist nicht jeder Mensch dafür geeignet, und zweitens sollte das eigentlich nicht nötig sein. Wenn zwei Leute ein Haus (einen Betrieb, eine Firma) gemeinsam führen, sollten sie einander vertrauen und zumindest ununterbrochen über alles Anfallende mit einander reden. Was eindeutig nicht der Fall war.

Worauf Welser-Möst (mit Cleveland im Hintergrund, also keinesfalls absturzgefährdet) eines Tages Meyer und der Staatsoper den Rücken kehrte. So plötzlich, dass es im Grunde unfein war und für die Direktion durch nötige Umbesetzungen ziemlich unangenehm erschienen wäre – hätte Dominique Meyer dergleichen nicht mit einem geradezu erleichterten Lächeln bewerkstelligt…

Nun, keine Frage, dass all das aus der Sicht von Dominique Meyer ganz anders aussieht. Und dass er es nicht mehr nötig hat, irgendetwas zu dementieren. Was interessiert ihn der Schnee von gestern. Er sieht voraus – und dort ist die Mailänder Scala.

Natürlich greift auch der Vorwurf von Welser-Möst, die Wiener Staatsoper sei kein Institut, um im laufenden Betrieb Nachwuchs auszubilden. Nun ja, wenn die Damen nicht so hübsch gewesen wären… Andererseits kann man keinem Mann (und Franzosen) verübeln, dass er sich lieber mit schönen Frauen umgibt als mit unscheinbaren. Über den „Harem“ des Herrn Direktor wurde unter vorgehaltener Hand viel gelächelt und gelästert. Wobei sich etwa die Damen Gritskova, Garifullina oder Nafornita, eine schöner als die andere, ja eigentlich gut entwickelt haben. Andere weniger, und es gab Besetzungen, die Zumutungen gleich kamen.

Man hatte oft den Eindruck, die glanzvolle finanzielle Bilanz, mit der Meyer immer prunkte, könnte auch darauf zurück zu führen sein, dass man Gagen sparte. Wenn man nicht Florez oder gleichwertiges Kaliber für den „Liebestrank“ einsetzt, sondern ein Hausmitglied oder einen Anfänger damit betraut, geht das – auf der Haben-Seite – auch ins Geld. Und gerade den „Liebestrank“ hat man so oft angesetzt bekommen wie sonst gar nichts, und nicht immer hat der Direktor seinem Haus mit seinen Besetzungen Ehre gemacht. Ich erinnere mich an eine Vorstellung, als Villazon (egal, wie gut er gewesen wäre, als „Name“ jedenfalls für viele ein Grund, die Vorstellung zu besuchen) den „Liebestrank“ absagte – und die angeblich so „dummen“ Amerikaner auf den teuren Sitzen (die ja alles schlucken, was man ihnen vorsetzt, Hauptsache, sie können sagen, sie waren in der Wiener Staatsoper… nicht wahr?) jedenfalls nicht so dumm waren, um unseren sympathischen „Haus-Chinesen“ für den angekündigten Star zu nehmen. Sie haben ihre Enttäuschung lautstark bekundet, weil sie sich von der Wiener Staatsoper mehr erwartet hatten…

Die nächste Direktion wird sich ihren Nachwuchs selbst erziehen – wie es sich gehört. Tara Erraught erzählte, wie wunderbar es war, im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper „aufzuwachsen“, ähnliches berichtet Erin Morley, die an der Juilliard School studierte, wo man wusste, dass James Levine (damals noch in Amt und Würden) regelmäßig seine Assistenten „über den Platz“ schickte, um sich über den Nachwuchs zu informieren, der dann für Minirollen in die „Met“ geholt wurde – und später in manchem Fall, Isabel Leonard zum Beispiel, als Star in die Welt ging…

Das ist, wenn man die gute, alte Provinz schon nicht mehr bemühen will (man soll nur zuhören, wie dankbar Piotr Beczala und Stephen Gould für das sind, was sie in ihren Linzer Jahren gelernt haben), ist das Opernstudio sicher die bessere Lösung als jene von Meyer, die jungen Sänger, die gerade mal einen Wettbewerb gewonnen haben, direkt an die Staatsoper zu holen und dort, an einem der ersten Häuser der Welt, ihr „Handwerk“ lernen zu lassen. Ein Fehler, den man ihm immer (und zu Recht) vorgeworfen hat.

Nun lässt also Franz Welser-Möst, dem man zum Abschied von der Staatsoper noch einen Maulkorb umgehängt hatte, seiner Galle freien Lauf. Andererseits ist Welser-Möst auch… na, wie nenne ich es? Wohl nicht einfach. Jedenfalls antwortet er auf die Frage, warum er keine Kritiken lese: „Warum soll es mich interessieren, was irgendjemand über mich schreibt?“ Womit er ja einerseits nicht so unrecht hat. Andererseits könnte man das auch „beratungsresistent“ nennen, oder?

Im übrigen: Wer weiß, was in der Zeiten Hintergrunde schlummert. Für Meyer in Mailand. Für Roscic in Wien. Für Welser-Möst in Cleveland, Salzburg, Wien und wo immer… Und für das stehplatz-lose Publikum der Wiener Staatsoper?

Renate Wagner

 

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