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APROPOS: Aller schlechten Dinge sind drei

Aller schlechten Dinge sind drei

06.05.2024 | Apropos, Feuilleton

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Aller schlechten Dinge sind drei

„Lohengrin“ ist eine Oper, die ich sehr liebe. Dem Vernehmen nach ist es jenes Werk von Richard Wagner, das an der Wiener Staatsoper am häufigsten aufgeführt wurde. Nicht allerdings für mich. In meinen Teenager-Jahren – ja. Die Doppel-Premiere der Wieland-Wagner-Inszenierung: Böhm! Watson und Thomas! Ludwig und Berry! Hillebrecht und King! Varnay und Neidlinger! Und dann noch oft in verschiedenen Besetzungen.

Darauf folgten Inszenierungen von Herz und Weber, na ja, aber wunderbare Sänger,, erinnert man sich noch an Peter Hofmann? Er war damals, was Vogt heute ist. Und die schmunzelnde „Sensation“, als Domingo den Lohengrin sang. Und Abbado dirigierte…

Dann folgte eine Katastrophe auf die andere. Die Kosky-Interpretation von 2005 hat mich mit ihrer blinden Elsa und dem imbezilen Vogel-Aufzug zum Kirchgang so empört, dass ich nie wieder hinein gegangen bin. (Man war damals offenbar noch provozierbar.) Kosky war und ist seit damals für mich gestorben, und außer einem einigermaßen witzigen „Orpheus in der Unterwelt“ habe ich nichts von ihm gesehen, das mein Urteil revidieren würde. Dann kam (den „Ratten-Lohengrin“ von Neuenfels in Bayreuth möchte ich ganz verdrängen) 2014 Homoki – und die Idee, die Oper in ein Bierzelt zu verlegen, fand ich ebenso unterirdisch und respektlos, so dass ich auch hier nicht mehr hinein gegangen bin. Und jetzt, 2024, Wieler und Morabito – auch keine Version, die man zweimal sehen möchte. Drei Inszenierungen – alle falsch gedacht, alle falsch gemacht. Aller schlechten Dinge sind drei.

Die Neugierde treibt einen auf jeden Fall vor den Computer, wenn der Stream angeboten wird, natürlich, das geht nicht anders. Nun hat man in die Pausen Gespräche hinein geschnitten. Zuerst der Direktor mit den beiden Regisseuren. Ein so zielloses Herumgerede um die „neue“ Version, die „gut“ und „böse“ umdreht, habe ich selten gehört. Elsa hat also ihren Bruder aus Herrschsucht umgebracht, ein Akt der Gewalt, geboren aus feministischer Unterdrückung (recht hat sie, oder was?). Wieso kommt man darauf? Nun, Ortrud sagt es. Ja, aber Ortrud lügt, das ist doch klar, wie gnadenlos manipulativ sie ist, beweist sie an ihrem Gatten ebenso wie an Elsa.

Nun gut, sagen wir, Elsa hat Gottfried umgebracht, ist also eine Mörderin, Lügnerin, tückische Heuchlerin, die einen Trottel braucht, der sie verteidigt. Also bildet sie sich Lohengrin ein, meinen die Regisseure. Ein Avatar, eine Fiktion. Wie sie es schafft, dass die ganze Welt ihren Wunschtraum auch sieht – das sollte man mir erklären. Und wenn ich mir schon einen strahlenden Ritter wünsche – dann einen mit fettigen langen Haaren und Hosenträgern, der am Ende Macho genug ist, mir nicht einmal seinen Namen zu sagen, mir also nicht „auf Augenhöhe begegnet“, wie die modernistische Formelsprache so schön sagt? Also, Elsa, das mit dem Wünschen musst Du Dir noch überlegen.

Wenn der Lohengrin aber doch „wirklich“ ist – ja, dann stellt sich doch eine andere Frage. Falls Elsa den Bruder tatsächlich umgebracht hat, wissen die Herrschaften auf Monsalvat das längst, denn die haben mit ihren herumreitenden Rittern auf jeden Fall ein perfektes Geheimdienstsystem. Dann sollte Gralskönig Parsifal seinen Sohn schicken, um eine Mörderin zu retten??? Das kann man wirklich nur einem Wiener Operndirektor (und seinem Gesinnungsgenossen in Salzburg) verkaufen, aber nicht einem Wagner-geeichten Publikum. Da steht nämlich was ganz anderes im Text und in der Partitur.

In der zweiten Pause wurde dann Christian Thielemann, der Held des Abends (ja, Wagner klingt bei ihm so berauschend wie derzeit bei niemandem sonst) zum Gespräch gebeten, Er sagte nicht nur, wie zu erwarten, Essentielles zur Musik, er ließ sich auch leider dazu verführen, das Regie-Konzept als interessant zu erachten. Nun, das muss er mit sich selbst ausmachen, wie weit man sich verbiegt. (Hat er nicht einmal auf die Frage, was er bei unmöglichen Inszenierungen tut, geantwortet: „Ich schaue nicht auf die Bühne.“) Allerdings kann man von niemandem erwarten, dass er die Hand beißt, die ihn füttert, und er wird viel in Wien machen, ein Glück für das Publikum, da fällt man dem Direktor halt nicht in den Rücken…

Kleiner Scherz übrigens, als Thielemann vorgab, es wisse nicht, wer von der „blau silbernen“-Lohengrin-Musik gesprochen habe. Roscic bestand die Prüfung und sagte richtig „Thomas Mann“. Was jeder Wagner-Freund, der sich ein bißchen mit dem Werk befasst hat, selbst weiß. Also wohl auch Herr Thielemann. Wie gesagt, ein Scherz der beiden, nehme ich an.

Diese Inszenierung, die optisch hässlich, gedanklich total verworren und im übrigen entsetzlich uninteressant und langweilig ist, steht dem Wiener Publikum nun auf Jahrzehnte ins Haus. Mich persönlich betrifft das nicht, ich werde in den nächsten sechs Jahren (und wenn ich Pech habe, noch länger) die Wiener Staatsoper in der Direktion Roscic / Schulz nicht betreten, aber was blüht meinen vielen, lieben Wagner-Freunden, die nach jeder Vorstellung süchtig sind?

Nun hat man in der Ära Roscic bereits den „Parsifal“, den „Tristan“ und jetzt auch noch den „Lohengrin“ ruiniert. Aller schlechten Dinge sind drei. Auch hier. Und an die Regie-Zukunft des Hauses mag man angesichts dieser Gegenwart  gar nicht denken.

Renate Wagner

 

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