Antonio Vivaldi:
Konzerte für zwei Violinen
Giuliano Carmignola, Amandine Beyer
harmonia mundi CD
Verliebtes Karnevalstreiben im Mondlicht
Schon einmal hat Altmeister Giuliano Carmignola Konzerte für zwei Violinen von Vivaldi eingespielt. Damals war Viktoria Mullova seine Partnerin, begleitet wurden die beiden vom Venice Baroque Orchestra unter Andrea Marcon (Archiv). Jetzt lässt er in diesem Repertoire (RV 505, 507, 510, 513, 527 und 529) noch einmal die Geige tanzen. Im Reigen mit der umwerfend vitalen Amandine Beyer und dem Ensemble Gli Incogniti ist eine CD-Einspielung der Superlative entstanden.
Es herrscht ja wahrhaftig kein Mangel an guten Vivaldi Aufnahmen, die legendäre dicke LP Box mit I Musici bildet seit jeher einen Grundstein meiner Diskothek. Und dennoch sind die neu publizierten Einspielungen so etwas wie die Quintessenz der Musik Vivaldis geworden. Man höre sich die Allegro-Sätze der Konzerte in B-Dur oder C-Moll an. Wie da die beiden Instrumente in einen verspielt sinnlichen Dialog miteinander treten, schlagfertig alle Gefühle der Welt mit Witz und Esprit abtauschen, von Seligkeit in freches Kräftemessen wechseln, einander die klingenden Bälle zuspielen, das ist einzigartig und „unerhört“. Harmonie im Klang ist den beiden Solisten nicht das wichtigste, die so verschieden timbrierten Geigen und deren so individuell ausgeprägtes Musizieren treten miteinander in einen Wettstreit des Ausdrucks.
An Intensität kaum zu überbieten, „lassen sie die Noten wie Diamanten glitzern, jeden Rhythmus in unendlicher und fröhlicher Geschmeidigkeit erstrahlen.“ Das sagt Amandine Beyer über ihren Partner Carmignola, man könnte diese schönen Worte aber auch auf ihr Spiel münzen. Die Freude am Flüchtigen, am Tempo, am Jetzt und Hier, an Schelmerei und kokettem Flirt, wechselt ab mit mondlichter Melancholie und kurzem Innehalten über Vergänglichkeit, Untreue und dem Maskenspiel der Genien in venezianischer Nacht. Manchmal ist es ein Duell auf Leben und Tod, dem wir lauschen. Die Bögen sind die Schwerter, mit denen in gleichlaufenden Tonkaskaden der Rahmen des Rings abgesteckt ist. Halsbrecherisch stürzen sich Carmignola und Beyer in die Schlacht, aber keine Bange, es verliert sich keiner in diesem Rausch an Verzierungen und lebensfrohen Schnörkeln. Musikantisch pulsieren Rhythmen, winzige dynamische Abschattierungen und überraschende Temporückungen lassen die Musik wirken wie das Licht eines leicht mit Wolken bedeckter Himmels im Wind.
Die hervorragenden Instrumentalisten von Gli Incogniti sind nicht bloß Begleiter, sie mischen mit im Konzertieren, nehmen Stellung, wechseln die Seiten und verdrehen dem Hörer im Glitzerreigen der wie Wassergischt aufspritzenden Töne auf angenehme Weise den Kopf. Um dieses Feuerwerk an funkelnden italienischen Tonjuwelen so recht genießen zu können, ist diese CD auch klangtechnisch so ziemlich das beste, was derzeit auf dem Markt ist. Auch das informative Booklet und das schöne Cover mit einem passenden Ausschnitt aus Tiepolos „Il cassotto dei saltimbanchi“ tragen zur hohen Qualität dieser Neuerscheinung bei.
Dr. Ingobert Waltenberger