Anna Netrebko
DER GESCHMACK MEINES LEBENS
Mit Fotos von Vanessa Maas
160 Seiten, Molden Verlag in Verlagsgruppe Styria, 202
Rund um ihren „50er“ sind die Aktivitäten, ist die Unternehmungslust von Anna Netrebko ungebrochen. Auftritte überall (eine Schulteroperation wirft sie kaum aus der Bahn), inklusive die diesjährige Scala-Eröffnung (als Lady Macbeth in ihrer x-ten Inszenierung), eine neue CD (mit hoch dramatischem Cover) – und ein Buch.
So selbstverständlich unkonventionell wie die ganze Frau ist auch „Der Geschmack meines Lebens“, nun reich bebildert im Molden Verlag erschienen. Allerdings nicht nur mit Fotos, die Anna zeigen, sondern auch zahlreiche Speisen, die aus dem Buch gewissermaßen ein Kochbuch machen (die überbordende, aber zweifellos appetitanregende Foodfotografie stammt von Vanessa Maas). Gleich im ersten Satz des Vorworts lässt Anna Netrebko ihre Leser wissen, dass das Kochen für sie in den letzten Jahren zu einem auftregenden Thema geworden ist. Und darum bezieht sie es so prominent in ihr Buch ein, dass es eigentlich den Hauptakzent setzt. Schon das Titelfoto zeigt sie nicht in einer Opernrolle, sondern fast folkloristisch wie eine festlich geschmückte russische Bäuerin, die dem Betrachter eine Schale Erdbeeren anbietet…
Opernfreunden sei gesagt: Es ist auch am Rande eine Lebensgeschichte, in Ich-Form erzählt, von dem kleinen Mädchen in Krasnodar, das sich schon als Kind so gerne verkleidet hat. Dabei gibt es anfangs Privatfotos (auch von Essensorgien…), später Rollenfotos (bestückt mit einzelnen hymnischen Sätzen aus Kritiken) – Bilder sind ein wichtiger Bestandteil des Buches, das am Ende jedes Kapitels dann Rezepte (wieder mit den vielen Fotos) bietet.
Die Analyse ihrer Karriere, detaillierte Berichte über Aufführungen, Dirigenten, Partner etc. darf man nicht erwarten. Die Netrebko besucht einfach die Orte ihres Lebens und ihrer Erfolge. Erste Station nach der Geburtsstadt: St. Petersburg, kein Geld, aber viel Ehrgeiz und gute Laune. 1994 hier ihr Debut als Susanna, und seither ist sie immer wieder zurückgekehrt.
Mit 24 bereits war sie erstmals in den USA, ein Gastspiel in San Francisco, sie erzählt all das in fröhlich privatem Ton (und kommt immer wieder aufs Essen zu sprechen). Wenn sie dann in die ganze Welt aufbricht, muss sie an ihr internationales Publikum denken und versichern, dass sie als Kosmopolitin keine Favoriten hat – aber italienisches Essen mag sie schon sehr (mit Foto beim Spaghetti-Essen).
Die Karriere hat bekanntlich in Salzburg bei den Festspielen abgehoben – nicht, als sie 1997 bei einem Marinskij-Gastspiel ein Blumenmädchen sang, sondern 2002 mit der Donna Anna. Und auch da gibt es ein Foto, wo sie mit Martin Kusej kocht…
Unter der „Lawine des Ruhms“ stellt sie fest – abgesehen von der knusprigen Ente in München -, dass sie Deutschland liebt. „Met, Party & Pork“, seit 2004 war sie immer wieder in New York, heute einer ihrer Hauptwohnsitze. Dann kommt London, wo sie gerne in den großen Kaufhäusern einkauft (schließlich haben diese sensationelle Lebensmittel-Abteilungen), Moskau und zu guter letzt Wien.
Wenn sie drei Wünsche offen hätte, erzählt Anna Netrebko am Endes dieses Buches, dann würde sie Gesundheit und Frieden für alle Menschen wünschen – und dass der ewige Wind in Wien endlich aufhören sollte. Für sie selbst wünscht sie nichts: Sie hat alles, was sie braucht. Der Welt sollte es besser gehen.
Der altruistische Wunsch einer Künstlerin, die sich ihren Fans als problemlose Hobby-Köchin präsentiert. Wer Sinn für Rezepte hat, wird vermutlich das eine oder andere nachkochen und Opernfreunde zu einem Netrebko-Abend anderer Art einladen.
Renate Wagner