Angela Levin:
KÖNIGSGEMAHLIN CAMILLA
Die Biographie
318 Seiten, Verlag Edition Koch, 2023
Es kommt nicht alle Tage vor, dass die „böse Hexe“ zur Königin wird anstelle der schönen Prinzessin – tatsächlich kannte man weder im Märchen noch im Leben keinen einzigen solchen Fall. Bis aus Camilla Parker-Bowles, Englands lange Zeit bestgehasste Frau, Englands Königin wurde – wenn das keine Geschichte ist!
Unwahrscheinlicher als viele und als Charakterporträt auch interessanter als viele. Im übrigen ist es eine Liebesgeschichte, wie man sie nicht alle Tage erlebt. Wolle Charles König werden, behauptete einst Englands brutale Presse einstimmig, müsse er auf Camilla verzichten. Er tat es nicht. Er wurde König, Und im Mai wird sie zur Königin (Queen Consort) gekrönt. Wobei der Buckingham Palast mittlerweile schon von „Queen Camilla“ spricht.
Dieses Leben ist eine Biographie wert. Autorin Angela Levin führt die Geschichte von Camilla von der Wiege bis ins Heute, inklusive dem Ableben von Prinz Philip und der Queen, inklusive der Probleme mit Harry. Über den die Autorin übrigens auch ein Buch veröffentlich hat. Sie war als Journalistin für populäre Zeitungen tätig und gilt als Fachfrau für die Royals, wie es in England viele gibt, die dann auch den Vorteil haben, alle und jeden zu kennen und viele „Originalzitate“ einbringen zu können.
Wobei die Autorin einen Vorteil und einen Nachteil hat. Der Vorteil besteht darin, dass sie Camilla offenbar ganz gut kennt, schon für einen langen Zeitungsartikel oft mit ihr gesprochen und daneben penibel „mit-recherchiert“ hat, was sich in deren Leben so begab. Das bedingt eine bemerkenswerte Materialfülle, oft aus erster Hand.
Angela Levins Nachteil besteht darin, dass sie nach eigener Aussage ein „Fan“ von Camilla ist, tatsächlich so schrankenlos begeistert von ihr, dass sie nur eine Lobeshymne an die andere fügen kann, ob aus eigener Erfahrung, ob Zitate, selbst gehörte oder zitierte. Man hat es also mit einem wahren Huldigungs-Parcours zu tun. Die einzige nicht ganz positive Eigenschaft, die sie der baldigen Königin zugesteht, ist ihre Neigung zum Chaos – ihr Schlafzimmer sah angeblich immer aus, als sei eine Bombe eingeschlagen. Aber keine Frage, es wird genug Personal geben, hinter ihr aufzuräumen…
Denn immer schon ist Camilla ein „Golden Girl“ gewesen, mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und aufgewachsen. Natürlich muss immer wieder die Geschichte ihrer Urgroßmutter Alice Kreppel erzählt werden, die die Geliebte von König Edward VII (dem Sohn von Königin Victoria) war. Aber auch sonst gibt es in ihrer Biographie Adel und Geld auf allen Seiten. Als erstes Kind von Bruce und Rosalind Shand wuchs sie mit zwei jüngeren Geschwistern in einer liebevollen und toleranten Familie auf und wurde in die besten Schulen geschickt, was ihr offenbar nur Freunde machte. Natürlich bestand angesichts des Familienvermögens absolut kein Grund, sich je einem Beruf zuzuwenden. Camilla gehörte, nachdem sie auch den berühmten „Debutantinnen-Ball“ mitgemacht hatte, zur Jeunesse dorée von London, wo sich auch Prinz Charles bewegte und Andrew Parker Bowles damals noch ein Verhältnis mit Prinzessin Anne hatte. Dass Camilla mehr sein würde als eine der vielen Geliebten von Prinz Charles, stellte sich bald heraus.
Seltsam mutet an diesem Buch an, dass zwei der wichtigsten Personen dieser Geschichte gewissermaßen nur am Rand vorkommen. Prinzessin Diana, die von Charles aus purem Pflichtbewusstsein (und starkem Druck seiner Familie) geheiratet wurde, wird wenig erwähnt, zwar nicht herunter gemacht, aber doch in ihren „schwierigen“ Eigenschaften gezeichnet, um Charles erneute Zuwendung zu Camilla klar zu machen. Camillas Rolle als „Störenfried“ in dieser Ehe wird dabei herunter gespielt. Und von Andrew Parker Bowles, den Camilla 1973 heiratete, erfährt man rein gar nichts, diese Ehe wird trotz zweier Kinder (Tom, * 1974, und Laura, * 1978).geradezu marginalisiert (ungeachtet der Gerüchte, Laura könnte Charles’ Tochter sein).
Für die Autorin beginnt Camilla erst nach Dianas Tod so richtig interessant zu werden, wobei sich Charles schon nach seiner Scheidung zu der auch 1995 geschiedenen Camilla unerschütterlich bekannte. Nun wird geschildert, welche Medienarbeit der Prince of Wales leistete, um sein Image, das nach Dianas Tod bei den Briten im Keller war, zu verbessern und das Volk an Camilla als die Frau an seiner Seite zu gewöhnen.
Die Standfestigkeit, die Camilla in all den Jahren gezeigt hat, als sie unendliche Beschimpfungen von Diana-Fans über sich ergehen lassen musste, spricht für sie. Immer hat sie Haltung bewahrt, die Idee, die Welt an ihren Gefühlen teilnehmen zu lassen, wäre ihr nie gekommen – in diesem Sinn passt sie zu den „richtigen“ Royals. Im übrigen zeigt die Autorin, was man ihr gerne glaubt, wie gut Camilla (im Gegensatz zu Diana) zu Charles passt – nicht nur ihrer „englischen“ Eigenschaften wegen, sich für Gartenarbeit, Hunde und Pferde zu begeistern (ihr Vater nahm sie schon als Zehnjährige auf Fuchsjagden mit).
Das Paar musste lange warten, zumindest auf den Tod von Queen Mum, die sehr gegen Camilla war, bis die Queen (auch auf den Wunsch von Prinz Philip, der „ordentliche Verhältnisse“ sehen wollte) der Hochzeit zustimmte. Die beiden heirateten 2005, und Camilla, die im Gegensatz zu Diana nie öffentlichkeitssüchtig war, nahm in Ruhe ihre neue Stellung als Herzogin von Cornwall und als „arbeitender“ Royal ein, nie mit der Intention, ihren Gatten auszustechen. Immerhin begann sie mit Ende 50, wo die meisten Menschen den Ruhestand ins Auge fassen, eine Art neues Leben und einen neuen Beruf.
Ausführlich schildert die Autorin Camillas soziale Anliegen – von der Osteoporose, an der ihre Mutter litt und starb, bis zu einem Projekt, für das sich noch kein Royal je interessiert hat: Camilla, die von ihren jungen Jahren an vom Vater zum Lesen angeregt wurde, will als begeisterte Leserin dies auch den Briten nahe bringen.
Abgesehen davon, wie sie ihr Leben zur höchsten Bewunderung der Autorin (und vermutlich noch vieler anderer) meistert, ist am Ende eine Lanze für das Alter zu brechen. Charles und Camilla sind als Königspaar immerhin zwei Menschen Mitte 70, wo man die „Alten“ in unserer Gesellschaft eigentlich aussortiert. Vielleicht kann Camilla als Beispiel gelten, was man auch in späteren Jahren noch alles leisten kann.
Renate Wagner