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Andreas Eckert: GESCHICHTE DER SKLAVEREI

26.03.2021 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Andreas Eckert
GESCHICHTE DER SKLAVEREI
Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert
128 Seiten, Beck’sche Reihe – Taschenbuch, 2021

Die Sklaverei ist weltweit abgeschafft und verboten (wenn sich auch beispielsweise ein Land wie Mauretanien bis 1980 damit Zeit gelassen hat!). Dennoch kann kein Zweifel darin bestehen, dass auch heute noch Hunderttausende Menschen weltweit unter sklavenartigen Bedingungen leben und rechtlos für Arbeit oder Sex ausgebeutet werden. Ein besonderes Gewissen haben sich die Menschen bezüglich der Unterdrückung ihrer Mitmenschen eigentlich nie gemacht.

Das kann man in der „Geschichte der Sklaverei“ nachlesen, die Andreas Eckert, Professor für die Geschichte Afrikas an der Humboldt-Universität in Berlin in einem schmalen Band der „Beck’sche Reihe“ nachzeichnet. Dabei bewegt er sich „Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert“.

Es gab Sklavenhalter-Gesellschaften, die ohne die Arbeit von Sklaven nicht funktioniert hätten und wo die Sklaven mindestens ein Fünftel der Bevölkerung ausmachten. Dort waren sie ein integraler, wenn auch rechtloser Teil der Gemeinschaft, über die ihre Herren die vollkommene Verfügungsgewalt (Leben und Tod) besaßen. Und es gab (und gibt) Gesellschaften mit Sklaven.

Die Sklavenhalter-Gesellschaften fanden sich im antiken Griechenland (wo jeder, der nicht Grieche war, als Barbar galt und daher selbstverständlich versklavt werden konnte) und das antike Rom, wo man das Funktionieren des Alltags mit einen nie abreißenden Strom von Kriegsgefangenen, die in die Sklaverei gebracht wurden, sicherte. Ob ein Mensch mehr wäre als ein anderer, mochten gelegentlich Philosophen theoretisch überlegen, praktisch stellte niemand diese Welt von Herren und Sklaven in Frage. Tragische „ausgleichende Gerechtigkeit“ mochte es sein, dass viele Griechen bei den Eroberungszügen der Römer selbst in die Sklaverei gerieten, aber dann meist, dank ihrer intellektuellen Fähigkeiten, für gehobene Stellungen als Lehrer, Ärzte oder Verwalter benützt wurden.

Weitere Sklavenhalter-Gesellschaften gab es in späteren Jahrhunderten in den Südstaaten Amerikas, in Brasilien und in der Karibik, wo riesige Wirtschaftszweige an der unbezahlten Arbeit hingen. Denkt man an „Sklaverei“, so bestimmt die Welt von „Vom Winde verweht“ mit den schwarzen Sklaven auf den Baumwollfeldern die allgemeine Vorstellung. aber dazu ist viel zu sagen, und das geschieht hier.

Das Buch steigt in eine Welt des Menschen als Ware. Es erscheint unvorstellbar, ist aber belegte Tatsache, welch grausame, gewalttätige und erniedrigende Situationen mit dem Faktum von Sklavenjägern und Sklavenhaltern verbunden waren. Es war ein weiträumiges und (nach unserer Sicht) absolut gewissenloses (wenn auch von den Tätern wohl kaum hinterfragtes) System der Gewalt, das hier exekutiert wurde. Tatsache ist, dass die Religionen mit ihren moralischen Ansprüchen die Frage der Sklaverei nie auf ihr Banner geschrieben haben…

Keineswegs wurden nur Menschen schwarzer Hautfarbe aus Afrika gejagt, gefangen und verkauft, aber Piraten des Mittelalters, die „weiße“ Opfer kaperten, erhandelten sich oft ein Lösegeld als Alternative. Einer der berühmtesten Gefangenen von Piraten war schon in der Antike Julius Caesar, auch Miguel de Cervantes erlitt dieses Schicksal und vegetierte fünf Jahre als Sklave in Algier, bevor er frei gekauft wurde. Pauschal kann man sagen, dass man männliche Sklaven für schwere Arbeit, weibliche Sklavinnen für Hausarbeit, aber natürlich auch für sexuelle Dienste kaufte. Schon in der Renaissance verfügte jeder wohlhabende Haushalt über mindestens eine Sklavin.

Nach und nach haben sich schwarze Menschen aus Afrika als die begehrteste Handelsware herausgestellt, die schon von Arabern gejagt und verschleppt wurden. Der arabische Raum hatte großen „Menschen“-Bedarf dieser Art, der lange anhielt. Da man Schwarzafrikaner für Heiden hielt, galt für sie nicht der Schutz des Islam. (Parallel lehnte das Christentum zwar ab, Christen zu versklaven, hatte aber mit Angehörigen anderer Religionen diesbezüglich keine Probleme).

Wesentlich wurde die Transatlantik-Route, die Sklaven in die Neue Welt transportierten, wo die Plantagen schier grenzenlos Arbeitskräfte benötigten. Letztendlich beteiligten sich alle seefahrenden Völker an diesem so lukrativen wie grausamen Handel, der schon beim Transport eine Unzahl von Menschenleben kostete.

In der frühen Neuzeit waren Sklaven auch in Europa keine Seltenheit, vor allem in England, aber auch in Deutschland. Der Autor erzählt den Fall von Anton Wilhelm Arno, geboren an der Goldküste, von Holländern verkauft, an den Hof des Herzogs von Braunschweig-Wolfbüttel gekommen. Man bildete ihn aus, bestaunte ihn, nahm ihn als menschliches Versuchsobjekt. Der Fall ähnelt zweifellos jenem von Angelo Soliman, der in Wien sogar am Kaiserhof verkehrte und dem man neuerdings in Büchern und Filmen so viel Aufmerksamkeit schenkt. Er war kein Einzelfall, und der dekorative „kleine Mohr“, den man sich in Adelshäusern hielt, ist ja auch in den „Rosenkavalier“ eingegangen.

An sich wurde beim Wiener Kongreß die Sklaverei verurteilt und verboten, aber sie hielt sich noch lange. Der Amerikanische Bürgerkrieg gilt als Markstein für das Ende der Sklaverei, aber viele der frühen amerikanischen Präsidenten waren selbst Sklavenhalter, und die amerikanische Verfassung von der Freiheit und Gleichheit aller Menschen war „ein Werk von Sklavenhaltern mit schlechtem Gewissen“, wie der Autor es ausdrückt.

Solange europäische Mächte ihre Kolonien ausbeuteten, waren Sklaven ein Bestandteil der Wirtschaft. Politische Verhältnisse und allgemeines Bewusstsein änderten sich nur langsam, die Moral (wie sie etwa der Missionar David Livingstone vertrat) musste sich mühsam gegen vitale wirtschaftliche Interessen durchsetzen. An der Wallstreet hat man lange Zeit Sklaven als Sicherheit für Darlehen und Hypotheken akzeptiert…

Der Autor analysiert dies historisch, aber auch mit dem Blick auf die Gegenwart, wo vor allem die „Black Lives Matter“-Bewegung das Bewusstsein vergangenen Unrechts geschärft hat. Was nicht bedeutet, dass es nicht an vielen Orten der Welt noch Zwangsarbeit unter sklavenartigen Bedingungen herrscht. Da wäre noch viel zu tun, wenn es nicht nach wie vor die Gewissenlosigkeit angesichts der „Ware Mensch“ gäbe.

Renate Wagner

 

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