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ANDERE ERINNERUNGEN AN PAULA WESSELY

"Machen Sie uns einen Tee, Herr Wirl"

19.05.2025 | Feuilleton, Themen Kultur

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„Machen Sie uns einen Tee, Herr Wirl“

 Derzeit wird Paula Wessely im Burgtheater in dem Stück von Elfriede Jelinek nach allen Regeln der Kunst verballhornt. Andere Leute haben andere, bessere Erinnerungen an die große Schauspielerin.

Von Erich Wirl /
Aufgezeichnet von Renate Wagner

Erich Wirl hat sie seit den frühen Sechziger Jahren in allen Stücken erlebt, die sie in Wien gespielt hat, und er hat viele ihrer Filme gesehen. Sie war für ihn, wie für so viele Wiener Theaterbesucher, einfach etwas ganz Besonderes – und für ihn persönlich  erst recht.
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„Sie stand für mich quasi auf einem Podest“, sagt er. „Ich erinnere mich, wie ich sie zum ersten Mal um ein Autogramm gebeten habe. Nach der Vorstellung war es für uns ‚Autogrammjäger‘ – und damals gab es viele davon -, vor dem legendären Bühnenausgang des Burgtheaters  auf die Schauspieler des Abends zu warten. Paula Wessely kam und war keine Sekunde jene Diva, die sie eigentlich war, im Gegenteil. Sie freute sich über jeden Besucher, hatte das Bedürfnis, mit uns über das Gesehene zu sprechen und war echt interessiert daran, was wir zu sagen hatten. Solange ich sie in der Folge kennen lernen durfte, und das waren die rund 40 Jahre bis zu ihrem Tod im Jahre 2000, war sie von unveränderter Freundlichkeit.“

Wirls Theateranfänge fielen in die Zeit, als Wien über die Schnitzler-Rollen der Wessely in Begeisterung verfiel – ihre Genia Hofreiter im „Weiten Land“ (mit Attila Hörbiger), ihre Gabriele in den „Weihnachtseinkäufen“ (mit Robert Lindner als Anatol). Später gab es weitere unvergängliche Eindrücke, etwa in den Kortner-Inszenierungen von „Othello“ oder „John Gabriel Borkman“.

Als sie mich als treuen Anhänger besser kannte, schrieb ich ihr auch immer wieder in die Himmelstraße 24 – das Haus, das heute leider nicht mehr im Besitz der Familie ist -, und sie hat mir oft geantwortet. Ich bin stolz, einige lange Briefe von ihr zu besitzen, abgesehen von den zahlreichen Fotos, die sie im Lauf der Jahrzehnte für mich signiert hat.“

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Erich Wirl hatte sogar das Glück, von Paula Wessely eingeladen zu werden.„Ich durfte Paula Wessely auf ihre persönliche Einladung hin – sie rief mich an! – auch zweimal in ihrem Haus besuchen, stets bewaffnet mit einer Anzahl interessanter Rollenfotos  aus ihrer Vergangenheit. ‚Das war eine schöne Zeit‘, sagte sie mehrfach, etwa zu alten Filmbildern aus ‚Maskerade‘.“

Paula Wessely lud Wirl in die Küche ein. „Personal war keines da, also sagte Paula Wessely zu mir: ‚Machen Sie uns einen Tee, Herr Wirl‘ und zeigte mir, wo Teebeutel, Teekessel und Häferln zu finden waren.“

Angesichts der Fotos, die er stets mitbrachte, ging den beiden der Gesprächsstoff nicht aus. „Sie erzählte von ihren Anfängen, den glücklichen Jahren in Prag, wo Leopold Kramer sie ans Deutsche Theater geholt hatte, und dann am Wiener Volkstheater. Besonders gern sprach sie auch über ihre Zeit mit Max Reinhardt.“

„Von der Zeit des Nationalsozialismus war nie die Rede, aber als 1985 alle Welt über das ‚Burgtheater‘-Stück von Elfriede Jelinek sprach, das großen Skandal verursachte, war Paula Wessely sehr betroffen. Sie schien mir regelrecht geknickt angesichts der Anschuldigungen, die sie allerdings nie kommentiert hat.“

Paula Wesselys Gatten Attila Hörbiger traf Wirl bei ihr nicht, obwohl er zu Hause war, dessen Unterschrift auf einem gemeinsamen Foto holte er sich später.

Die Wessely-Hörbiger Töchter Elisabeth Orth, Christiane Hörbiger und Maresa Hörbiger waren längst aus dem Haus „In meiner Eigenschaft als leidenschaftlicher Theaterbesucher waren sie mir allerdings alle vertraut und haben auch meine ihnen vorgelegten Fotos immer gerne signiert.“

Erich Wirl  war nicht in Wien, als Paula Wessely begraben wurde.  „Aber immer, wenn ich auf den Grinzinger Friedhof komme, statte ich ihr und ihrem Mann einen Besuch am Grab ab. Sie hat es von der Himmelstraße hinauf zum Friedhof nicht weit gehabt.“

 

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