Oper als Parodie in Amsterdam: „Deidamia” von Georg Friedrich Händel (Vorstellung: 21. 3. 2012)
In Amsterdam wurde die Oper „Deidamia“ als unterhaltsame Parodie inszeniert (Foto: Ruth Walz)
An der Nederlandse Opera in Amsterdam kam kürzlich „Deidamia“, die letzte Oper von Georg Friedrich Händel zur Aufführung, die in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auch unter dem Namen Achill unter den Mädchen gespielt wurde. Uraufgeführt wurde das Melodramma in drei Akten im Jahr 1741 in London, wo das Werk aber nach drei Vorstellungen von der Bühne wieder verschwand. Erst nach 1953 wurde die Oper wiederentdeckt und in verschiedenen Häusern auf den Spielplan gesetzt.
Die Handlung der Oper, die auf der Insel Skyros zu Beginn des Trojanischen Krieges spielt und deren Libretto von Paolo Antonio Rolli stammt, in Kurzfassung: Um Achill vor dem sicheren Tod im Krieg zu schützen, den ein Orakel vorausgesagt hat, wird er in Mädchenkleidern unter dem Namen Pyrrha im Palast von König Lykomedes versteckt. Dort verliebt sich die Königstochter Deidamia in ihn. Das Verwirrspiel um Liebe, Eifersucht und Verrat nimmt seinen Lauf, als Odysseus, der König von Ithaka, der mit aller List versucht, Achill aufzuspüren, ebenfalls ein Auge auf die Königstochter wirft. – Als Deidamia und ihren Gefährtinnen Gastgeschenke übergeben werden und der listige Odysseus darunter auch Waffen gelegt hat, verrät sich Achill. Er greift sofort zu Helm, Schild und Schwert und stürmt auf ein von Odysseus veranlasstes Kriegssignal davon. Verzweifelt erkennt Deidamia, dass sie Achill nicht halten kann. Obwohl sie hört, dass ihrem Geliebten ein früher Tod bestimmt ist, reicht sie ihm ihre Hand. Auch Phönix, der König von Argos, und die Prinzessin Nerea werden ein Paar.
David Alden inszenierte die Oper mit großem Ideenreichtum als Parodie, die von den Sängerinnen und Sängern auch tänzerische und sportliche Leistungen abverlangte. In einigen Szenen gelangen ihm so witzige Passagen, dass das Publikum immer wieder in Gelächter ausbrach. Humorvoll auch die griechisch stilisierte Bühnengestaltung durch Paul Steinberg, der aus dem Meer ein Unterseeboot auftauchen ließ und als zweite Bühnenebene einen Badesteg einzog. Die dazu gut passenden Kostüme – duftige Kleidchen und Badeanzüge für die Damen, sportive und uniformierte Kleidung für die Männer – entwarf Constance Hoffman. Für die kreativen Lichteffekte sorgte Adam Silverman, die der Parodie entsprechende und des Öfteren ausgesprochen witzige Choreographie stammte von Jonathan Lunn.
Als Deidamia gelang es der britischen Sopranistin Sally Matthews, sich in die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer zu singen und zu spielen. Mit feiner Selbstironie und tänzerischer Leichtigkeit gestaltete sie ihre Rolle, schwebte über die Bühne, mutierte zur Badenixe und perlte perfekt Händels Koloraturen. Berührend ihre Arie Nasconde l’usignol (Die Nachtigall verbirgt), in der sie erzählt, dass sie Achill verstecken will, wie die Nachtigall ihr Nest versteckt.
Achill in Frauenkleidern wurde von der ukrainischen Sopranistin Olga Pasichnyk männlich-kriegerisch dargestellt. Sie nützte jede Gelegenheit, sich mit sportlichem Training fit zu halten, übte sich im Schattenboxen sowie in Fecht- und Speerwurfübungen und sang dazu noch tadellos. Odysseus, die zweite Hosenrolle, wurde von der spanischen Mezzosopranistin Silvia Tro Santafé gespielt. Auch sie agierte mit Augenzwinkern und gestaltete die Rolle des listigen Taktierers beeindruckend. Großartig das finale Hohelied auf die Liebe Ama, ama! Nell‘ armi e nell‘ amar (Liebe, Liebe! Dein Herz und dein Schwert), das sie als Odysseus mit Deidamia sang. Die Rolle der Prinzessin Nerea gestaltete die argentinische Sopranistin Veronica Cangemi mit Leidenschaft und gesanglicher Virtuosität. Man gönnte ihr das glückliche Ende mit Phönix, dem König von Argos, der vom britischen Bassbariton Andrew Foster-Williams mit viel Witz dargestellt wurde. Als Lykomedes, König von Skyros, glänzte der italienische Bass Umberto Chiummo mit seiner dunkel timbrierten Stimme und durch seine angeborene Spielfreude. Die stumme Rolle des Nestor war dem niederländischen Schauspieler Jan-Willem Schaafsma anvertraut, der mit langem weißem Rauschebart dem alle Fäden ziehenden Göttervater Zeus glich.
Das Orchester Concerto Köln, das seit mehr als 25 Jahren für Entdeckerfreude in der Barockmusik steht und seit längerem mit der Oper Amsterdam zusammenarbeitet, wurde von Ivor Bolton geleitet. Er dirigierte wie ein geheimnisvoller Magier, der den Musikern die Töne aus den Instrumenten entlocken will. Dem Publikum, das im 2. und 3. Akt immer wieder Szenenbeifall spendete, gefiel’s. Am Schluss gab es neben rhythmischem Applaus und Bravo-Rufen Stehende Ovationen eines Großteils der Zuschauerinnen und Zuschauer.
Udo Pacolt, Wien – München
PS: Die weiteren Vorstellungen der Oper „Deidamia“, die leider nur mit niederländischen Übertiteln gezeigt wird, finden in Amsterdam am 25., 27., 29. März und am 1. April statt.