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LEIPZIG: 800 JAHRE THOMANA – SINGEN, BETEN UND LERNEN

Leipzig: 800 Jahre Thomana – singen, beten und lernen

von Ursula Wiegand

 „Glauben, singen, lernen“ – mit diesem Motto feiert Leipzig 800 Jahre Thomana. Gemeint sind damit der Thomanerchor, einer der ältesten Chöre Deutschlands, die Thomaskirche und die Thomasschule. Eine seit acht Jahrhunderten tätige Dreieinigkeit zur Vermittlung christlicher Werte und einer musisch-humanistischen Bildung.

„Diese drei Worte – glauben, singen, lernen – symbolisieren, wie wichtig für die Gesellschaft unser Projekt ist,“ sagt Thomaskantor Georg Christoph Biller.


Thomaskantor Georg Christoph Biller in der Villa Thomana. Foto: Ursula Wiegand

„Lernen ist zwar in der Gesellschaft üblich, wird aber nur funktional gesehen. Wir meinen damit etwas anderes: Lernen ist Persönlichkeitsbildung – zum Lernen gehören das Singen und auch ein Weltbild, das aus unserer Tradition und Überzeugung ein christliches ist, zumindest davon geprägt sein soll,“ betont Biller.

Biller sieht die mediale Aufmerksamkeit, die das Jubiläum findet, sehr positiv und lädt alle ein, an den ganzjährig laufenden Veranstaltungen teilzunehmen.

Das erste Großereignis ist die Festwoche vom 19.-25. März, die mit der Sonderausstellung „Jauchzet-Frohlocket!“ startet. Dem Festakt am 20. März folgt ein Chortreffen. Am 24 März werden die Thomaner gemeinsam mit den Regensburger Domspatzen, dem Dresdner Kreuzchor und dem King’s College Choir aus Cambridge das Gotteslob singen.


Bachdenkmal vor der Thomaskirche. Foto: Ursula Wiegand

Auch das Bachfest vom 07.-17. Juni mit dem Thema „ein neues Lied“ greift das Jubiläum auf. Es blickt aber, wie sein Leitmotiv zeigt, auch in die Zukunft. Ähnliches gilt für die Festwoche der Thomasschule vom 17.-23. September und die der Thomaskirche vom 31. Oktober bis zum 4. November.

Insbesondere gilt das Hin zum Neuen für die Kompositionsaufträge, die das Bach-Archiv an fünf renommierte Künstler vergeben hat. Das erste Werk zum Osterfest obliegt Biller selbst. Zu Pfingsten folgt Hans Werner Henze, zum Reformationstag am 31. Oktober der Schweizer Heinz Holliger, zu Weihnachten der Australier Brett Dean und zu Epiphanias 2013, dem Dreikönigsfest, der polnische Komponist Krzysztof Penderecki.


Thomaner vor einem Gottesdienst. Foto: Ursula Wiegand

Diese „Festmusiken für Knabenchor“ werden vom Thomanerchor unter Biller zusammen mit dem Gewandhausorchester Leipzig in den Gottesdiensten uraufgeführt und wochentags bei den Motetten in der Thomaskirche wiederholt.

Die Fülle an Veranstaltungen stellt an die Thomaner hohe Anforderungen. Biller kennt jedoch seine Knaben. „Wir werden selbst die straffen Zeiten gut überstehen und sind stolz darauf, daran teilzuhaben,“ lächelt er.

Dr. Stefan Altner, Geschäftsführer des Thomanerchors, sieht ebenfalls keine außergewöhnlichen Belastungen. Wie in anderen Jahren werden auch in 2012 Auslandstourneen durchgeführt, diesmal nach Korea, Japan und Großbritannien.


Thomaner Paul Vogel. Foto: Ursula Wiegand

Ähnlich äußern sich zwei Thomaner. „Ich freue mich auf die Herausforderungen, die wir bestehen müssen, und ich versuche, sie in der Gemeinschaft so gut wie möglich zu meistern,“ sagt Paul Vogel (13), Schüler der 4. Klasse. Der Sopranist ist „ein großer Fan von Johann Sebastian Bach“. Seine Lieblingswerke sind das Weihnachtsoratorium  und die h-Moll-Messe.


Thomaner Marc Ußler. Foto: Ursula Wiegand

Auch Marc Ußler (18), der im nächsten Jahr Abitur macht, gibt sich gelassen. „Es wird natürlich anstrengend sein, aber auch sehr viel Spaß machen,“ meint er. Er singt gerne Bach und Alte Musik, aber auch Mozart und Mendelssohn. Modernes ist den beiden ebenfalls nicht fremd. Nur fürs heiß geliebte Fußballspiel werden die Thomaner wohl weniger Zeit haben.

Werfen wir einen Blick auf die Thomasschule, die im Jahr 1212 der Thomaskirche angegliedert wurde. Sie nahm auch Bürgerkinder auf und gilt als Deutschlands älteste öffentliche Schule.


Die heutige Thomasschule. Foto: Ursula Wiegand

1543, im Zuge der Reformation, übernahm die Stadt den Chor und die Schule. 1902 wurde das Gebäude abgerissen. Die heutige Thomasschule in der Hillerstraße ist ein Städtisches Gymnasium für Jungen und Mädchen. Die Thomaner werden in Extra-Klassen zusammengefasst.

Stets waren hoch gebildete Männer als Kantoren und Rektoren tätig. Der berühmteste, Johann Sebastian Bach, leitete den Chor von 1723 bis zu seinem Tod im Jahr 1750. Nach wie vor gelten die Thomaner in erster Linie als Interpreten seiner Werke, die sie als hoch willkommene Kulturbotschafter in alle Welt hinaustragen.


 Bach an der Thomaskirche, sein Kopf. Foto: Ursula Wiegand 

Bachs Kantaten, Oratorien, Passionen und die h-Moll-Messe schätzen heutzutage sicherlich alle Musikfreunde. Nach einem Bach-Konzert habe er begriffen, „dass das, was ich gehört hatte, mir Wahrheit vermittelte,“ sagte Papst Benedikt XVI bei einer Generalaudienz im August 2011. Bachs Musik drücke auf unwiderstehliche Weise die Gegenwart Gottes aus, fügte er hinzu.

Junge Menschen empfinden das offenbar ähnlich, beobachtet Altner. Nicht wenige Jungen kommen aus religionsfernen Familien, doch die „musica sacra“ dringt in die Herzen. „Immer wieder lassen sich einige taufen und konfirmieren,“ stellt er fest. Auch die besondere Atmossphäre der Thomaskirche trägt vermutlich dazu bei.


Thomaskirche. Foto: Ursula Wiegand

Dieses Gotteshaus ist ohnehin ein Magnet. Nach den Worten von Pfarrer Christian Wolff kommen täglich 300 – 500 Besucher, davon ein Drittel aus dem Ausland. An Spitzentagen sind es bis zu 1.000 Menschen.

Ebenso wichtig wie der Blick zurück ist nach Billers Worten die Vorausschau. Vor rund 10 Jahren hatte er eine Vision, den Campus forum thomanum. Und bei diesem deutschlandweit einmaligen Projekt hat die Zukunft bereits begonnen.


Villa Thomana, fein restauriert. Foto: Ursula Wiegand

Verwirklicht wurden bisher die Sanierung der Villa Thomana mit den Verwaltungs- und Proberäumen, eine 100 Plätze bietende Kita und die Einrichtung von Grundschulklassen.


Neue Kita im Bachstraßen-Viertel. Foto: Ursula Wiegand

Momentan wird das Alumnat umgebaut. Durch Anhebung des Dachs besitzt das Haus künftig 4 Etagen und wird in kleine Wohneinheiten gegliedert. Obwohl die Zahl der Thomaner auf 120 steigen soll, haben sie darin mehr Platz und Komfort. Der Erweiterungsbau, ein Glaskubus, bietet einen neuen, transparenten Probesaal.


Campus-Planung, Tafel. Foto: Ursula Wiegand

Zu den nächsten Vorhaben gehört der Bau einer eigenen Grundschule. Es folgen eine Sport- und Freizeitanlage, eine Mittelschule und als Schlussstein eine internationale Jugendmusikakademie.


 Lutherkirche, Parkseite. Foto: Ursula Wiegand

Das geistige Zentrum des Campus bildet die Lutherkirche, die zur „multifunktonalen Gottesdienststätte“ umgebaut wird. Für die ist ebenfalls Pfarrer Christian Wolff zuständig, Billers höchst engagierter Mitstreiter. Auf diese Weise wird eine Vision Wirklichkeit.


Pfarrer Christian Wolff und Thomaskantor Georg Christoph Biller. Foto: Ursula Wiegand

 

Infos unter www.thomana2012.de, www.forum-thomanum.de, www.thomasschule.de, www.thomaskirche.org und www.leipzig.de. Tickets beim Thomasshop. Tel. 0049-(0)341-222-24200, Mail: thomasshop@thomaskirche.org.

 

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