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WIEN / Volkstheater: DIKTATUR DER KUNST!

Meese - ein Gesamtkunstwerk?

07.10.2024 | KRITIKEN, Theater

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WIEN / Volkstheater:
DIKTATUR DER KUNST!
(WIESO, WESHALB, WARUM)?
mit Jonathan Meese
6 .
Oktober 2024

Meese  –  ein Gesamtkunstwerk?

Jonathan Meese, vielseitiger Künstler, vor allem aber als Person ein selbst geschaffenes Kunstwerk kuriosen Zuschnitts, ist des öfteren Gast im Volkstheater. Mit ihm läuft eine Talkreihe, mit der bei der neuesten Folge Direktor Kay Voges sein Gesprächspartner sein sollte. Aber Voges liegt mit Corona und hohem Fieber danieder, und so  war Meese – sorglich, gescheit und diskret moderiert von Henning Nass – gewissermaßen allein auf der Bühne. Was ihm nicht das geringste ausmachte. Mit wenigen Unterbrechungen redete er über zweieinhalb pausenlose Stunden gewissermaßen ohne Punkt und Komma, mit dauernden Wiederholungen, sich gewissermaßen im Kreis drehend.

Dass die Kunst seiner Meinung nach die Weltherrschaft übernehmen sollte, war sein Dogma an diesem Abend, für das er viele Worte, aber keine vernünftige Begründung fand. Dazu kamen einige letztlich zahme Beschimpfungen, auch der Künstler, die sich von der Politik vereinnahmen und kaufen lassen. Aber sein Lieblingsthema war natürlich Jonathan Meese selbst.

Nicht zum ersten Mal breitete er Details seiner Lebensgeschichte aus – der Prozeß, den man ihm machte, weil er den Hitler-Gruß gezeigt hatte, allerdings nur in der edlen Absicht, ihn zu desavouieren. Er berichtet von seiner auch medial stark beachteten „Ausladung“ aus Bayreuth, wo man ihn den „Parsifal“ doch nicht machen ließ. Und in aller Ausführlichkeit lässt sich der 54ährige über seine 95jährige Mutter aus, die noch Hitler gekannt hat… Deutschland und deutsche Geschichte sind seine Leib- und Magenthemen und lassen ihn immer wieder mit der öffentlichen Meinung zusammen stoßen. Ja, und dass das so „philosophische“ Raumschiff Enterprise seine Lieblingsserie war und ist, erfuhr man mehrfach, desgleichen von seiner Lieblingsfigur Hagen von Tronje…

Dass Provokation seine Lieblingsbeschäftigung ist, machte der Abend klar, dass die Quantität seiner Ausführungen die Qualität übersteigt, ist eindeutig, dass er vor Selbstbewusstsein platzt, auch. Wenn von Kunst die Rede ist, hält er vermutlich die Person von Jonathan Meese für ein Gesamtkunstwerk – mit einer Litanei auf Richard Wagner hatte der Abend begonnen und endete so auch, offenbar gegen den Willen von Meese, der nicht zu reden aufhören wollte…

Gewissermaßen ein Zusatzprogramm waren an diesem Abend einige „Filme“ von Alexander Kluge, die meist nicht sehr aufschlußreich nur etwas Bildmaterial zusammen stellten. Weil zu einer Talk-Show auch Werbung gehört, hatte man willkürlich einiges zusammen geschnitten. Die Szenen mit der alten Margaret Rutherford als Miß Marple waren die ehrlich unterhaltsamsten des Abends.

„Soll ich noch den Hitlergruß machen?“ bot Meese  an, bevor er sich endlich hinter den schon geschlossenen Vorhang ziehen ließ und der Abend dann doch zu Ende war. Mit welchem Ergebnis? Seien wir ehrlich: eigentlich keinem.

Renate Wagner

 

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