Foto: Scala / Bettina Frenzel
WIEN / Scala:
VIEL LÄRM UM NICHTS von William Shakespeare
Premiere: 24. September 2022,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 27. September 2022
Die „Scala“, einem „konventionellen“ Spielplan teilweise durchaus nicht abgeneigt, hat schon viele Komödien von Shakespeare gespielt. „Viel Lärm um nichts“ ist ein Werk, nach dem die Theater seltener greifen, denn eigentlich sind es zwei Stücke, die nicht recht zusammen passen. Auf der einen Seite eine Variation der „Widerspenstigen“, zwei Sturköpfe, die mit Tricks dazu gebracht werden müssen, ihre Liebe zu gestehen (und dieser Teil ist bestenfalls ein Schauspielerfest, ganz hohe Schule der Nuancen, unvergessen Gobert und Ostermayer 1975 im Burgtheater). Das andere Stück ist eine echte Tragödie, wo – wie bei Shakespeare gern – ein Mann nach einer Verleumdung lostobt, ohne auf die Idee zu kommen, die Sache zu überprüfen (wobei Shakespeare ein klassisches Motiv der Renaissance-Epoche aufgegriffen hat). Da wird mit Tod, Schuld und Verzweiflung gespielt, und nur weil es letztlich doch eine Komödie sein soll, gibt es mit gewaltigen Verrenkungen ein Happyend.
Das Stück in Shakespeare-Zeit-Kostümen zu spielen, wagt heute niemand mehr, so ganz in die Gegenwart (mit Laptops und Smartphones) kann man es auch nicht versetzen, also wählte Regisseur und Scala-Direktor Bruno Max das Italien der Nachkriegszeit – da kann man den Bösewicht gleich noch in eine Faschistenuniform stecken. (Die Inszenierung mit vielen italienischen Fahnen hatte am Tag vor den italienischen Wahlen Premiere – Pech, jetzt wird sie von den „Omas gegen Rechts“ sicherlich boykottiert… etwas so Ur-Italienisches anzusehen, wäre ja noch schlimmer als Pasta und Pizza zu essen! Den „Fürsten“ lässt man nach der Baudissin / Tieck-Übersetzung noch so anreden (was natürlich gar nicht stimmt, die Bezeichnung „Kommandant“ wäre in diesem Fall wohl logischer), aber dass die Geschichte im gehobenen Milieu spielt, hat ihr der Regisseur total ausgetrieben.
Ein bescheidenes, aber stimmungsvolles und praktisches Bühnenbild von Robert Notsch (das kleine Haus verfügt tatsächlich über eine Drehbühne) versetzt die Handlung und damit die Theaterbesucher weniger in das mächtige Messina, als in eine italienische Kleinstadt, wo es ebenso zugeht – sehr laut, sehr turbulent, mit sehr viel Krach und auch Klamauk. Das Motorrad mit Beiwagen wirkt richtig nostalgisch. Man wird kaum an Shakespeare erinnert, eher an einen italienischen Komödienmix-Nachkriegsfilm. Die Stärke der Inszenierung besteht darin, den Stil konsequent durchzuhalten, die Schwäche, dass es natürlich gar keinen Feinschliff mehr gibt.
Durchaus reizvoll ist Lisa-Marie Bachlechner als lautstark-kratzbürstige Beatrice (streitbarer Feminismus hat gegen die Liebe letztlich keine Chance), während Leopold Selinger, wertvolles Mitglied des Hauses und oft wunderbar, einfach nicht der Typ des skrupulösen Liebhabers ist. Während alle erfolgreich im Stil des Regisseurs agieren, muss vor allem der immer geschätzte Bernie Feit den Shakespeare’schen Tölpel so überdrehen, dass es leider nicht mehr lustig ist (zumal seine Wortverdrehungen mehr Präzision erforderten).
Das Publikum, von Stilfragen und Wunsch nach Feinheiten nicht belastet, war höchst amüsiert und klatschte bei der vollen zweiten Vorstellung heftig.
Renate Wagner