Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Arena di Verona 90. Festival „CARMEN“

28.07.2012 | KRITIKEN, Oper

Zeffirellis Spanien

Keiner hat bisher die Massen so sicher gelenkt auf dieser Großbühne wie der auch zum Beherrscher dieses Riesenformates gewordene Franco Zeffirelli. Auch wenn sich schon Routine eingeschlichen hat, auch wenn die seitlich des Hauptgeschehens viel zu oft agierenden Flamencotänzer so sehr ablenken, dass man sie von der Bühne schießen möchte, es ist ja doch eine Augenweide, wenn da weit über 200 Choristen und Statisten mit auch solistischer Verantwortung und bestens eingekleidet von Anna Anni agieren. So konnten dem verwöhnten Auge auch so manche gesanglichen – nennen wir es mal freundlicherweise so – Unausgeglichenheiten im Ohr verzeihlich erscheinen.

Denn mit Anita Rachvelishvili steht ein schon optisch gestandenes Weibsbild auf der Bühne, ein feuchter Traum mediterraner Männersehnsüchte, das quasi Urbild einer plakativen Verführerin. In den letzten Jahren in dieser Rolle heimisch geworden auf vielen internationalen Bühnen, bringt sie sich auch mit einer enormen stimmlichen Potenz ihres satten Alts ein, wie geschaffen für das Arenarund, allerdings sind bereits enorme Verschleißerscheinungen ihres Materials nicht zu überhören: ein ordentliches und störendes Tremolo. Neben ihr muß erst Don José gar nicht den Verschüchterten spielen, der relativ kleine Sänger wirkt schon von Natur aus so und man wundert sich über seinen mutigen Entschluss, der Schmugglerbande beizutreten. Alejandro Roy scheint auch seiner Micaela gegenüber nicht sehr stürmisch aufgelegt, man fragt sich, was aus den beiden geworden wäre, denn auch Irina Lungu spielt ein allzu zart besaitetes Mädchen. Man vermisst bei beiden eine kantigere Zeichnung durch die Regie. Witzig sein langer Anlauf, um Carmen niederzustechen. Sicher ist sicher! Gesanglich hielten sich beide tapfer, er mit einem virilen, etwas hart und gepresst klingenden Tenor ohne sonderlichem Timbre, (leider hatte ja Marcello Alvarés abgesagt), während sie, wir kennen sie von der diesjährigen Traviata aus dem Theater an der Wien, mit ruhiger Stimmführung ihres hübschen Soprans gefallen konnte.

Von den anderen Rollen wäre zu berichten, dass Francesca Micarelli eine nur unzulängliche Frasquita und Cristina Melis eine sehr ordentliche Mercedes abgab, Dancairo und Remendado durch Fabio Previati und Carlo Bosi gut gesungen wurden, der Zuniga von Fabio Previati dem Morales von Gianfranco Montresor vorzuziehen war. Wie Deyan Vatchkov zu seiner Rolle als Escamillo gekommen ist, bleibt unergründlich, bröselig und wackelig und unsicher und leise und dünn hörte sich sein Gesang an, dass er trotzdem Applaus bekam, hat er nur den nachsichtigen Touristen zu danken.

Durch die Carmen führte musikalisch Julian Kovatchev, man sieht seinen Dirigiergebärden, seiner Haltung und den Haarsträhnen an, dass Karajan sein großer Mentor war und da kann ja auch nicht viel schief gehen. Es wäre interessant, ihn in einem Opernhaus zu erleben, denn dann ginge es ans Eingemachte, um die Tiefe der Interpretation.

Voll war sie nicht so ganz, die Arena, der Applaus des Publikums, welches sogar den Toreromarsch mitapplaudierte, der Anteil der teutonischen Besucher war daran abzulesen, ergoß sich gleichmäßig über alle.

27.7.2012 / Peter Skorepa

 

 

 

 

Diese Seite drucken