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ZWISCHEN ZWEI LEBEN – THE MOUNTAIN BETWEEN US

03.12.2017 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmCover  Zwischen zwei Leben~1

Filmstart: 7. Dezember 2017
ZWISCHEN ZWEI LEBEN – THE MOUNTAIN BETWEEN US
The Mountain Between Us / USA / 2017
Regie: Hany Abu-Assad
Mit: Kate Winslet, Idris Elba, Beau Bridges u.a.

Es beginnt am Boise Airport in Idahoe (den bei uns niemand kennt), und die Ausgangssituation ist absolut glaubwürdig: Ein Sturm zieht auf, alle Flüge werden gestrichen – und es gibt Leute, die sich damit nicht abfinden können und wollen. Die Fotojournalistin Alex Martin will nach Hause, immerhin zu ihrer Hochzeit, und der aus London stammende Chirurg Dr. Ben Bess wird in Baltimore für eine Operation erwartet. Beide wollen dringend zu einem Flughafen, wo sie weiterkommen.

Die beiden schließen sich zusammen, den Charterer Walter mit seiner kleinen Maschine zu engagieren. Zu viert – Walters Hund ist auch noch dabei – sind sie bald in den stürmischen Lüften. Und dann ist es nicht einmal das Wetter, das dazwischen kommt, sondern ein unerwarteter Herzinfarkt des Piloten – sie stürzen ab und sind irgendwo im eisigen Nirgendwo in den Bergen, den ach so schönen Rocky Mountains, was zwei Überlebende (plus Hund, der Pilot ist tot) nicht tröstet.

Das ist nun die Ausgangssituation eines typischen Katastrophenfilms, den der israelisch-niederländische Regisseur Hany Abu-Assad (sonst meist mit Israel / Palästinenser-Problemfilmen befasst) nach dem Roman „The Mountain Between Us“ von J. Mills Goodloe und Charles Martin (2011) gedreht hat. Wie man weiß, üben Filme dieser Art auf das Publikum einen eigenen Reiz aus. Der Kinobesucher fühlt sich in Situationen versetzt, die er selbst nie erleben möchte und die nun auf der Leinwand andere für ihn durchleiden, wobei Elend und Grauen gewissermaßen noch spannend gemacht werden. Jetzt ist man also mit Alex und Ben im Wrack des kleinen Flugzeugs – und in einer scheinbar gänzlich aussichtslosen Situation.

Immerhin ist es ein Glücksfall, dass es sich bei den beiden um zwei erwachsene, vernünftige Menschen, die nicht anfangen zu heulen und weh zu klagen und das Schicksal anzurufen, sondern eigentlich immer nur daran denken, wie man in einer solchen Situation optimal agieren kann. Kate Winslet und Idris Elba sprühen Intelligenz und Souveränität, und das macht die folgende Geschichte möglich. Man friert und bangt mit ihnen, auch wenn man immer wieder seine Zweifel an dem hat, was man sieht…

So sonderlich glaubhaft ist die Geschichte natürlich nicht. Es passieren jede Menge von Katastrophen, die man kaum überleben kann (eine Frau tötet einen Puma mit einer Leuchtpistole, die ihr gerade in die Hände fällt?). Man macht sich schließlich – die beiden sind da verschiedener Meinung – auf den Weg, was sich als vernünftig erweist: Aber dass sie immerhin einen Wasserfall überwinden (genau wie, das wird nicht klar), steht auch nur im Drehbuch (oder im Roman). Beide erleiden Verletzungen und überleben es. Was sie essen, womit sie den Hund füttern, erfährt man nicht. Als sie endlich in einer verlassenen Hütte landen, gerät Ben in eine von Jägern ausgelegte Eisenfalle… Erst als Alex auf eine Straße gelangt und sich vor einen Lastwagen wirft, um ihn aufzuhalten, kann der erlösende Schnitt erfolgen: Spital, die beiden sind gerettet.

Natürlich müssen sie sich im Lauf dieser lebensbedrohenden Situation, wo sie immer weitermachen, ohne sicher zu sein, dass sie es schaffen, annähern. Bis zum Sex in der Hütte. Mit vielen Fragen über Privates davor, was Ben nicht beantworten wollte – bis klar wird, dass seine Frau ihn verlassen hat (nicht sehr nobel, bloß per Ankündigungen am Anrufbeantworter). Die Beziehung von Alex und ihrem Verlobten Mark scheint hingegen intakt – aber hat je jemand die beiden in Verlust Gegangenen gesucht? (Wie sollte man allerdings, wenn beide in der Eile des Aufbruchs niemanden über ihren Trip im Mini-Flugzeug verständigt haben…)

Der längste Teil des Films, die – wie gesagt nicht so glaubwürdige – Überlebensstory in Schnee und Eis, ist zwar Hauptsache, aber keinesfalls Ende der Geschichte. Am Krankenbett von Alex lernt Ben ihren Verlobten kennen. Er kehrt nach London zurück, weil er sie längst verheiratet wähnt, und antwortet auf keinen ihrer Anrufe. Wir wissen, dass die Welt und das Leben nach diesem tiefgreifenden Geschehen für sie so verändert sind, dass es nicht weitergehen kann wie früher: keine Hochzeit…

Nun ja, schließlich das Wiedersehen. Man zücke die Taschentücher. Das Ende sollte man nicht verraten, denn beide zweifeln, ob das, was sich in den Bergen zwischen ihnen aufgebaut hat, in der Realität Bestand hat… Es bleibt bei den Darstellern, glaubhaft zu machen, was immer kommt.

Und der Film hat zwei Schauspieler von starker Ausstrahlung und großer Intensität. Von Kate Winslet weiß man das, sie hat vielfach auf der Leinwand bewiesen. Aber dass Idris Elba, der schließlich oft überzeugend cool in der Gegend herumgeballert hat, so viele Gefühle durch seine Augen schicken kann, das überrascht und berührt sogar – bis zum Tränendrüsen-Finale (und dort erst recht).

Und doch – das Publikum, das die Winslet seit „Titanic“ ins Herz geschlossen hat und Elba in jeden Action-Film folgt, zeigte wenig Lust, mit den beiden in den Bergen zu frieren. Mit bescheidenen Einspielergebnissen kam dieser Film einem Blockbuster nicht einmal in die Nähe.

Renate Wagner

 

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