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BANSKA BYSTRICA/ Mittelslowakei: OPERALIA 2015 – Festival mit NABUCCO und Konzerten

25.08.2015 | Oper

OPERALIA 2015 BB“ – Nachfolger des Festivals auf der Burg Zvolen, Mittelslowakei (20.- 22.8. 2015)


Nabucco. Copyright „Operalia 2015 / Banska Bystrica

 Nahezu vierzig Jahre lang hatte es gegen Ende der Saison im Hof der Burg Zvolen die „Zámocké Hry Zvolenské“, ein Theaterfestival in Zusammenarbeit der beiden Theater in Zvolen und im nahen Banská Bystrica, gegeben. Wobei die Staatsoper Banská Bystrica immer für die musikalische Komponente verantwortlich war und im Laufe der Zeit hier zahlreiche Raritäten in internationaler Besetzung zur tschechoslowakischen und später slowakischen Erstaufführung brachte. Erfinder, Spiritus Rector und Dramaturg dieses kleinen aber feinen Opernfestivals war Dr. Jaroslav Blaho, der führende Musikologe des Landes. In den vergangenen Jahren hatte diese Institution endlich auch überregionale Beachtung erfahren – so waren zum Beispiel die Wiener „Elite-Tours“ regelmäßig zu Gast.

 Diese Epoche ist nun aus verschiedenen Gründen zu Ende. Nicht zuletzt trug dazu wohl auch der bedauerlicherweise inzwischen angeschlagene Gesundheitszustand des betagten Dr. Blaho bei. Dennoch wollte es sich die Staatsoper Banská Bystrica nicht nehmen lassen, diese Tradition weiterzuführen, ganz im Sinne der langjährigen guten Seele der Festspiele in Zvolen. Also gibt es nun die „OPERALIA BB“.  Intendant Rudolf Hromada und der künstlerische Leiter Šimon Svitok, selbst Bariton, haben im Hof der Matej Bel-Universität, gleich neben der Oper, eine neue open air-Spielstätte gefunden, die ihre erste Bewährungsprobe zu bestehen hatte. Wenn man es in den kommenden Jahren auch noch schafft, die bloß durch einen Zaun getrennte Kuzmány-Straße für die Dauer einer Veranstaltung dem Durchzugsverkehr zu verwehren, könnten gelegentliche akustische Störfaktoren von draußen, wie etwa munter brummende Kraftfahrzeuge, heftig klappernde Stöckelschuhe, animiert bellende Hunde oder zu späterer Stunde fröhlich mitsingende Betrunkene vermieden werden. Immerhin spielt man auch hier wie seinerzeit in Zvolen „unplugged“, wie das auf neudeutsch heißt. Also völlig unverstärkt.

 Für den ersten Versuch einer Weiterführung der Festspiele hat man sich auf bloß drei Abende beschränkt, die allesamt dann gut besucht waren. Zur Eröffnung gab es am 20. August den bewährten „Nabucco“, der seit Jahren einen Fixpunkt im Repertoire der Staatsoper darstellt und bereits auch wiederholt mit Gastsolisten in Zvolen gezeigt worden ist. Die relativ statische Regie von Michal Babiak erzählt die Geschichte schlüssig in einfachen Bildern, bleibt stets dem musikalischen Duktus verpflichtet und tut der Komposition somit keine Gewalt an. Wofür man heute schon durchaus dankbar sein darf. Die von Chor und Orchester der Staatsoper ausgezeichnet getragene Vorstellung präsentierte eine absolut gediegene Besetzung. An der Spitze ist zweifellos Csilla Boross zu nennen, die die schwierige Rolle der Abigaille mit nahezu unverschämter Leichtigkeit zu interpretieren wußte, sowohl in absolut berückend lyrischen Phrasen als auch in der geforderten Attacke stets stimmschön zu überzeugen wußte, und sich mit dieser Leistung im Moment sicherlich in die vorderste Front der Interpretinnen dieser Partie einreiht. Der zweite ausländische Gaststar war der italienische Baß-Veteran Roberto Scandiuzzi, als Zaccaria so gut wie weltweit erprobt, der nach wie vor nicht nur über mühelosen Wohlklang verfügt, sondern auch eine Lektion an feiner Stilistik anbietet. Dalibor Jenis, slowakischer Sänger mit Weltruhm, ist Nabucco und präsentiert seinen makellos geführten Bariton mit genau der rollendeckenden Portion an Italianità. Die eher undankbare Rolle des Ismaele wird von Ľudovit Ludha mit angenehmem Timbre überzeugend dargeboten, während die junge Michaela Šebestová als Fenena zwar ebenfalls mit Wohlklang aufwarten kann, indes aber gelegentlich noch etwas unsauber in der Stimmführung wirkt. Igor Lacko und Peter Schneider, zwei verdiente Kräfte der Staatsoper Banská Bystrica, ergänzen verläßlich und routiniert als Oberpriester und Abdallo. Marián Vach, pensionierter künstlerischer Leiter der Kompanie, aber als Dirigent alles andere als im Ruhestand, leitete die Aufführung umsichtig und wählte stets die adäquaten Tempi, um Verdis Komposition auch an diesem kühlen Abend zum Strahlen zu bringen.

 Tags darauf lud man ins historische Rathaus am Hauptplatz von Banská Bystrica. Dort verfügt man im ausgebauten Dachgeschoß über einen veritablen Konzertsaal, in dem „OPERALIA TALENT“ präsentiert wurde. Die Fortsetzung der Reihe mit jungen Künstlern in Zvolen. Drei junge slowakische Vokalisten präsentierten sich in der ebenso umsichtigen wie virtuosen Klavierbegleitung von Róbert Pechanec, im ersten Teil mit Liedrepertoire, danach mit Oper. Katarina Flórová, Sopran und Choristin in Bratislava, dort bereits auch mit ergänzenden solistischen Aufgaben betraut, überzeugte nicht nur mit Dvořak-Liedern, sondern später auch als Rusalka, ausnahmsweise einmal in der Arie aus dem dritten Akt, und als sehr intensive Margarita aus „Mefistofele“. Pavol Kubáň, Bariton mit inzwischen schöner Karriere in Italien und an der Semperoper in Dresden, präsentierte erst drei Lieder aus dem Zyklus „Regrútske piesne“ des hierzulande so gut wie unbekannten slowakischen Spätromantikers Tibor Andrašovan (durchaus hörenswert!), um hernach vor allem eine dermaßen tief empfundene, liedhaft zelebrierte Romanze aus Korngolds „Die Tote Stadt“ hören zu lassen („Mein Sehnen, mein Wähnen“), wie man sie üblicherweise im Laufe von Bühnenaufführungen selten geboten bekommt. Judita Andelová ist eine junge Mezzosopranistin, die man eigentlich getrost als „Altistin“ führen dürfte. Was sie nahezu konkurrenzlos an unteren Registern in Dvořaks „Biblischen Liedern“ zeigt, läßt einen etwas ratlos zurück, wenn sie dann später unbedingt Santuzza probieren will, was denn dann auch nicht so wirklich aufgeht. Sie merkt es, scheint es immerhin, auch selber. Möge sie daraus gelernt haben.

Am letzten Abend hatte man ein Galakonzert aufgeboten. Wieder im Hof der Universität. Und wieder am Puls des Verkehrs der schon erwähnten Kuzmány-Straße. Irgendwann hört man die schlagenden Autotüren auch nimmer. Auch nicht die durchstartenden Kraftfahrzeuge. Man bekommt nämlich auch an diesem Abend ein durchaus feines Programm serviert. Die Gala nennt sich „V4“. Benannt nach der „Visegrád-Gruppe“, einer losen Kooperation zwischen Tschechien, Polen, Ungarn und der Slowakei. Folglich stammten die Solisten also aus den genannten Staaten. Die junge Sopranistin Katarzyna Mackiewicz aus Polen hatte leider im ersten Teil eher vokales Pech, zeigte ihre Fähigkeiten indes aber später in einer sehr tief empfundenen „Adieu notre petite table“ aus „Manon“ und vor allem im berückend musizierten Blumenduett aus „Lakmé“ gemeinsam mit Terézia Kružliaková. Diese Mezzosopranistin, sichtlich bereits hochschwanger, präsentierte sich dem Publikum dennoch in Höchstform, sei es als Leonora in „La Favorita“ oder – zum ersten Mal – als Santuzza im großen Duett mit Turiddu. Als Sternstunde des Abends darf man zweifellos ihre Arie aus Tschaikowskys „Jungfrau von Orleans“ anführen. Tenoraler Held des Abends war Attila Fekete aus Budapest. Er verkörpert trotz seines immer noch ziemlich jugendlichen Alters den Typ von Tenor, den man vermutlich um drei Uhr früh aufwecken kann, und er singt wohl alles perfekt. Vor allem besticht er damit, den Radames in seiner „Celeste Aida“ nicht nur mühelos zu singen, sondern am berühmten „B“ auch noch ein absolut fein gestaltetes Diminuendo zu zelebrieren. Jakub Kettner, durchaus arrivierter tschechischer Bariton zwischen Prag und Brünn, war der Letzte im Grüppchen der „V4“. Nicht nur als Gerard („Nemico della patria“), sondern auch als Escamillo und außerdem im Duett aus „Don Carlo“ mit Atila Fekete konnte er das Publikum begeistern. Igor Bulla, verläßlicher und vielseitiger  Kapellmeister der Staatsoper Banská Bystrica, hat an diesem Abend mit sehr klarer Zeichengebung das ausgezeichnet studierte Orchester der Staatsoper Banská Bystrica sicher durch den Abend begleitet.

 Franz Petrak

 

 

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