Georges Bizet: Don Procopio, Zürcher Kammerorchester im ZKO-Haus, Premiere und Besuchte Vorstellung 28.12.2018
„Eine italienische Farce im Stil von Don Pasquale“
Die Opera Box im ZKO-Haus widmet sich verdankenswerterweise wieder einer Rarität: Bizets zweiter Oper „Don Procopio“.
1857 hatte Georges Bizet den Rom-Preis der Académie des Beaux-Arts und das damit verbundene Stipendium gewonnen. Sein erstes Envoi war, an Stelle der vorgeschriebenen geistlichen Komposition, die Opera buffa „Don Procopio“, „eine italienische Farce im Stil von Don Pasquale“, wie Bizet selbst einmal über sein Werk schrieb. Im offiziellen Gutachten äusserten sich die Mitglieder der Académie verhalten positiv. Das vertrauliche Gutachten vom März 1860, vertreten von Ambroise Thomas, war, nicht nur wegen der Regel-Verletzung, klar negativ. Bizet, der mittlerweile seine Rückkehr nach Paris vorbereitete, hatte mit seinem Werk innerlich wohl bereits abgeschlossen. Das Werk galt lange Zeit verschollen. Der Autograph tauchte dann 1894 im Nachlass von Daniel-François-Esprit Auber auf. Am 10. März 1906 ging das Werk in Monte-Carlo erstmals über die Bühne.
Die Inspiration für das Libretto fand Bizet 1858 in einem Römer Antiquariat: „Don Procopio“ von Carlo Cambiaggio ist eine Kurzfassung von „I pretendenti delusi“ von Luigi Prividali, das Giuseppe Mosca 1811 für das Teatro alla Scala in Mailand vertont hatte.
Die Musik des „Don Procopio“, so der Musikwissenschaftler Winton Dean, ist Imitation, aber Imitation auf hohem Niveau. Im Werk sind Passagen im Stile von Mozart, Rossini, Donizetti bis hin zu Verdi zu hören, die aber letztlich nicht über gewisse Längen hinwegtäuschen. Heraus stechen, in bester lyrischer Belcanto-Manier, die beiden Duette von Bettina und Odoard („Sulle piume dell‘amore“ und „Per me beato appieno“)
Myriam Kirschke hat Regisseur Paul Suter für seine Inszenierung ein höchst ästhetisches Bühnenbild geschaffen.
Offizielles Pressebild: Copyright by Thomas Entzeroth
Ein Podest mit Pflanzen, davor Sitzgelegenheiten, im Hintergrund ein grosses Bild eines Weihers mit Seerosen und seitlich Lichtinstallationen, die an das Laubwerk von Parkbäumen erinnern. Ein zauberhafter Wohnsitz reicher Leute in Norditalien, so der „Monsieur“ (hervorragend Samuel Zinsli), der die Zuschauer kommentierend durch den Abend und in die Vergangenheit Ende des 19. Jh. entführt.
Don Andronico, ein älterer, vermögender Herr hatte die Kinder seines verstorbenen Bruders schon im Jugend-Alter in sein Haus aufgenommen und adoptiert. Sein Mündel Bettina möchte Andronico nun mit Don Procopio, seinem Geschäftspartner, ebenso alt wie Andronico aber finanziell weitaus potenter, verheiraten. Zudem ist der Griesgram Procopio äusserst sparsam. Bettina aber liebt den jungen Polizisten Odoardo, der man möchte fast sagen natürlich, mittellos ist. Aber er liebt sie und sieht in ihr nicht nur das Geld und die Arbeitskraft, die sie in die Ehe mitbringt.
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Bettinas Bruder Ernesto hilft seiner Schwester der ungewünschten Verbindung zu entkommen und entwickelt zusammen Donna Eufemia, der unglücklichen Gattin Andronicos, einen Plan das zu bewerkstelligen. Als Procopio dann seine Verlobte kennenlernt, ändert sich das Bild, das er von ihr hatte, radikal. Bettina gibt ihm respektlos Paroli und hat keineswegs die Absicht, ein sparsames Leben zu führen: aus dem Idol wird eine Schreckensvision. Die vier französischen Köche („Voici l’omelette“: ein Import aus Bizets „Docteur Miracle“) haben die Köstlichkeiten für die Hochzeitsfeier zubereitet.
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Umsonst? Nein, nun kann das Publikum sie geniessen, denn es wurde während dem Quartett der Köche ein echtes Omelette zubereitet. Procopio bleibt nur noch die Flucht, während Bettina und Odoardo und Eufemia an ihrer Seite das Happy End feiern.
Alle Beteiligten waren mit sicht- und spürbar grossem Engagement am Werk. Besonders beeindruckt hat das junge Liebespaar: Christa Fleischmann und Luca Bernard (*1994 !) als Bettina und Odoardo. Fleischmann wurde in der Höhe manchmal leicht schrill, hat das aber durch hervorragende Technik wettgemacht. Bernard ist ein lyrischer Tenor, wie man ihn sich vorstellt: ein wunderbares Timbre und perfekte Höhe. Man freut sich, ihn in Zukunft wiederzuhören. Jeanne-Pascale Künzli (Donna Eufemia) und Martin Weidmann (Don Andronico) waren das herrlich alte und in fortgeschrittener Ehe immer wieder zerstrittene Ehepaar. Bojidar Vassilev gab Ernesto, den Bruder und schlauen Helfer Bettinas beim Projekt den griesgrämigen Don Procopio (Erich Bieri) zu vertreiben.
Auch alle übrigen Rollen waren hervorragend besetzt. Besonders beeindruckt hat die Ehrlichkeit aller Künstler, mit der sie Rolle dargestellt haben.
Andres Joho führte die MusikerInnen des Zürcher Kammerorchesters (grosses Lob an die Flötistin!) perfekt durch den Abend.
Fazit: Wunderbare und absolut lohnende Begegnung mit dem Jugendwerk Bizets, das als solches eine Rarität bleiben wird
Weitere Aufführung: 31.12.2018 / 15:00 – 18:00 Uhr, 31.12.2018 / 20:00 – 23:00 Uhr, 02.01.2019 / 15:00 – 18:00 Uhr, 04.01.2019 / 19:00 – 22:00 Uhr, 05.01.2019 / 18:00 – 21:00 Uhr, 06.01.2019 / 15:00 – 18:00 Uhr, 11.01.2019 / 19:00 – 22:00 Uhr, 12.01.2019 / 18:00 – 21:00 Uhr, 13.01.2019 / 15:00 – 18:00 Uhr
29.12.2018, Jan Krobot