Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ZÜRICH/Tonhalle: MAHLER 3. SINFONIE D-MOLL. Prachtkonzert im Prachtbau  

16.09.2021 | Konzert/Liederabende

Zürich: Mahler 3. Sinfonie d-Moll – Eröffnung 15.9.2021

Prachtkonzert im Prachtbau  

gab20210915 6967
Foto: Veranstalter

Nach vierjähriger Bauzeit präsentiert sich nun die Tonhalle, der Konzertsaal Zürichs, in neuem Glanz. Der Fellmer & Helmer-Bau gleicht ziemlich dem Wiener Musikverein und ist für seine perfekte Akustik bekannt. Nicht umsonst wurden hier verschiedene Plattenaufnahmen realisiert. Um der guten Akustik

nicht zu schaden, wurde äusserste Sorgfalt auf die Renovation verwendet. Es hat sich gelohnt: Die Tonhalle ist wirklich ein Prachtstück!

Und zur Wiedereröffnung hat man Mahlers Dritte ausgewählt, ein Werk, das seinerzeit kurz nach der Uraufführung 1902 durch den Komponisten in Krefeld in Zürich nachgespielt wurde. Der damals 27-jährige Dirigent Volkmar Andreae sprang für Herrn Hegar ein und feierte einen Triumph. Er wurde kurz darauf später zum Chefdirigenten des Tonhalle-Orchesters gewählt, dem er bis 1949 vorstand.

Nun also hat Paavo Järvi die Geschicke des Tonhalle-Orchesters in der Hand. Dieses war in riesiger Besetzung aufgeboten worden, zu dem sich für den 4. und 5. Satz noch ein Frauen- und ein Kinderchor gesellten. Der Chefdirigent bot uns eine Deutung, die in ihrer Schlüssigkeit und Klarheit ein Ereignis war. Den ersten Satz mit seinem immer wieder auflodernden Marsch-Rhythmus deutete Järvi quasi als Vorbote von späteren Militär-Sätzen von Schostakovitch mit doppeltem Boden. In der 2. Abteilung der Sinfonie kamen dann die Lyrismen der Natur immer mehr zum Ausdruck. Man könnte fast sagen, dass Mahler mit der Verwendung seiner Wunderhorn-Lieder hier seine „Pastorale“ geschaffen hat. Wenn sich dann aber der Klang aufhellt und wir  über die Natur hinaus in himmlische Gefilde geführt werden, skandierten die Zürcher Sängerknaben (Einstudierung: Konrad und Alphons von Aarburg) das „Bimm-bamm“, während die Damen der Zürcher Sing-Akademie (Einstudierung Florian Helgath) die wunderschöne Weise „Es sungen drei Engel“ intonierten. Übrigens hat sie Paul Hindemith in seiner Oper „Mathis der Maler“ wieder verwendet. Im 4. Satz berührte uns Wiebke Lehmkuhl mit dem überirdisch schön gesungenen Alt-Solo nach dem Text von Friedrich Nietzsche: „O Mensch! Gib Acht!“ – wie in zeitloser Gültigkeit unsere Zeit widerspiegelnd.

gab20210915 8113
Paavo Järvi, Wiebke Lehmkuhl und Orchester. Foto: Veranstalter

Das Tonhalle-Orchester war blendend disponiert. Die Blechbläser haben hier wahrlich Einiges zu tun – sehr schön die wie aus der Ferne verklingende Militär-Fanfare aus dem Off (Trompete: Heinz Saurer) – und die Holzbläser musizierten auf das schönste die seligen Wunderhorn-Weisen. Die gross besetzten Streicher (Konzertmeisterin-Solo: Julia Becker) verfügten sowohl über den seidigen Glanz als auch die Schärfe für die aufbrausenden Orchesterausbrüche und der Marsch-Rhythmen. Die Sinfonie, die als längste von Mahler an die 90 Minuten dauert, war bei Jaavo Pärvi wie aus einem Guss gestaltet. Nicht so emotional aufgeladen wie bei Bernstein, aber auch nicht so zurückhaltend wie Haitink: eine quasi gültige „goldene“ Mitte findend. Nicht einmal ergab sich ein Nachlassen der inneren Spannung, immer wurde auf ein Ziel hin musiziert.

Grossartig! Wir sind dankbar, wieder die Klänge dieser herrlichen Musik physisch erleben zu dürfen!

John H. Mueller

 

Diese Seite drucken