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ZÜRICH/ Tonhalle: L’ENFANCE DU CHRIST von Hector Berlioz

28.11.2021 | Konzert/Liederabende

Hector Berlioz: L’Enfance du Christ • Tonhalle Zürich • Vorstellung: 27.11.2021

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Man muss schon taub sein wie ein Karpfen, um diese Täuschung nicht zu bemerken

Man muss schon taub sein wie ein Karpfen, um diese Täuschung nicht zu bemerken“ meinte Hector Berlioz in Bezug auf den pastoralen Chor der Hirten aus der Feder des unbekannten französischen Barock-Komponisten Pierre Ducré. Denn diesen Pierre Ducré hatte Berlioz erfunden, um die ihm in aller Regel übel gesonnenen Musikkritiker einmal zum Narren zu halten. Das Orgel-Andantino, das er zum Choral umgearbeitet hat, hatte er an einem lauen Sommerabend im Jahre 1850 spontan im Freundeskreis komponiert. Den Chorsatz ergänzte er dann noch durch umrahmende Stücke und mit zwei weiteren Teilen war dann 1854 die Trilogie sacrée «L’enfance du Christ» entstanden. Mit der Komposition zeigt sich Berlioz einmal mehr als Meister der Lautmalerei, dem auch poetische Passsagen und ausgesprochen modern klingende Abschnitte gelingen.

Das Tonhalle-Orchester Zürich bringt Berlioz Meisterwerk unter der musikalischen Leitung von Sir John Eliot Gardiner mit atemberaubender Sensibilität zur Aufführung. Solche Piani, ein solch kontrolliert triumphierendes Forte hat man kaum je erlebt; es wird mit einer Innigkeit, die ihresgleichen sucht, musiziert. Der von Gardiner gegründete Monteverdi Choir wird seinem Ruf als einer der besten Chöre der Welt in dieser Aufführung mehr als gerecht. Er singt wie mit einer Stimme, ist jeder Zeit bestens verständlich, selbst die Damen, wenn sie im Foyer singen.

Andrew Staples als Erzähler (Le récitant) pflegt mit hellem, absolut höhensicheren und perfekt tragendem Tenor geradezu mustergültig die Kunst des gleichermassen verständlichen wie ausdrucksstarken Singens. Die Stimmen von Ann Hallenberg als Maria (Marie) und Ashley Riches als Joseph harmonieren perfekt. In Sachen mustergültigem Singen stehen sie ihren Kollegen in nichts nach. Berichtet William Thomas als Herodes von seinem Traum, wird seine Angst vor der Zukunft direkt hörbar. Gibt er im Allegro agitato «Eh bien! par le fer qu’ils périssent!» den Befehl die Neugeborenen zu töten, lässt die Verständlichkeit auf Grund der Geschwindigkeit etwas nach – perfekt als Stilmittel um die eigene Erregung hörbar zu machen. Die beiden Choristen Gareth Treseder als Zenturio (Centurion) und Alex Ashworth als Polydorus und Familienvater (Le Père de famille) ergänzen das Ensemble hervorragend.

Eine Sternstunde!

Weitere Aufführung: 28.11.2021 um 17.00.

27.11.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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