Zürich: Tonhalle – Kit Armstrong, Zürcher Kammerorchester (ZKO), Mario Venzago – 14.04.2015
Kit Armstrong. Copyright I. Zandel
Bestens durch den historisch kostümierten Majordomus (Stefan Mester) im Foyer der Tonhalle in den Abend eingeführt und eingestimmt, strömt das leider nicht zu zahlreich erschienene Publikum in den Grossen Saal der Zürcher Tonhalle um sich vom Zürcher Kammerorchester und dem Dirigenten Mario Venzago an diesem linden Abend endgültig in Frühlingsstimmung versetzen zu lassen. Eröffnet wird der Abend mit der Sinfonie C-Dur, Hob I:7 „Le midi“ von Joseph Haydn. Das Besondere an diesem Werk ist, dass die Violine, das Violoncello , der Kontrabass und im letzten Satz auch die Querflöte beachtliche solistische Parts zu bewältigen haben. Wollte Haydn damit seinen Musikern damals die Möglichkeit geben, sich den Esterhazys gebührend zu präsentieren, eignet sich „Le midi“ heute wohl ideal als „Aufnahmeprüfung“ für Musiker, welche in einem (Kammer-)Orchester aufgenommen werden wollen. Es sei vorweggenommen, dass die betroffenen Stimmführer des ZKO an diesem Abend ihr „Casting“ mit Bravour meistern. Die Soli der Violine geraten sauber, inspiriert und differenziert phrasiert. Im zweiten Satz gefallen die starke Ausdruckskraft und die Reinheit der Töne besonders. Wunderbar gerät der „Dialog“ mit dem Cello. Es musizieren zwei gleichwertige Partner. Im dritten Satz dann das Kontrabass-Solo – ebenso exakt und präzise wie klangschön; das Orchester begleitet diskret und verstärkt dadurch die Wirkung des Basses. Im vierten Satz brilliert die Querflöte mit frischer Verspieltheit, welche von der Violine und dem Orchester fröhlich aufgenommen wird. Mit seinem im wahrsten Sinne des Wortes mitreissenden und inspirierten Dirigat setzt Maestro Mario Venzago erfrischende Frühlingsakzente. Das Orchester nimmt diese auf; es wird fröhlich, farbig – und dennoch mit dem nötigen Tiefgang! – musiziert.
Als nächstes steht Joseph Haydns Klavierkonzert D-Dur Hob. XVIII:11 auf dem Programm. Also Solist konnte kein geringerer als der Ausnahmepianist Kit Armstrong gewonnen werden. Der 1992 in Los Angeles geborene Künstler ist – unter anderem! – leidenschaftlicher Kammermusiker und erweist sich an diesem Abend als Idealbesetzung für Haydns faszinierendes Klavierkonzert. Nach der erfrischenden Einleitung durch das erneut durch Mario Venzagos Inspiration angesteckte ZKO setzt Kit Armstrong leichtfüssig – oder besser leichthändig – ein und begeistert mit präziser Fingertechnik, brillanten Läufen und differenzierter Phrasierung. Der junge Pianist spielt konzentriert und ohne grosse Gesten, stellt dadurch das Werk und nicht sich selbst ins Zentrum und ist ehrlich inspiriert. Fabelhaft vom ZKO getragen, kann Kit Armstrong sein Können vollumfänglich entfalten. Im zweiten Satz gefällt die ausdrucksmässige Vielfalt des jungen Pianisten, der jede musikalische Stimmung fein herausarbeitet. Flott und jugendlich verspielt eröffnet Kit Armstrong den dritten mit Variationen gespickten Satz, den er differenziert gestaltet und mit verblüffender Leichtigkeit virtuos meistert.
Nach der Pause erklingt stimmungsvoll Othmar Schoecks „Sommernacht“ op. 58. Es gefallen das ausdrucksstarke Cello und der volle Klang des ZKO.
Der inspirierte Konzertabend geht mit Franz Schuberts Sinfonie Nr. 5, B-Dur, D 485 in die letzte Runde. Bei der Komposition liess sich Schubert wohl von Mozart und Haydn inspirieren – die Sinfonie ist und bleibt jedoch ein „echter Schubert“ – wenn auch ein junger! Dirigent Venzago und das ZKO gestalten einen farbigen, frühlingshaften ersten Satz, mit frischen, starken Forti und sorgfältig ausgearbeiteten Nuancen. Der zweite Satz gerät ergreifend, jedoch ohne übertriebene, an Kitsch grenzende Schwermut. Das ZKO setzt auf ehrlichen Ausdruck und grosse Klangbogen. Im zügig musizierten dritten Satz gerät unter Mario Venzagos Dirigat eine ebenso ausdruckstarke Leistung. Mit dem dynamisch gestalteten, facettenreichen vierten Satz, der sich im Spannungsbogen zwischen „Aufbrausend“ und „fein verspielt“ bewegt, beschliesst das ZKO einen wunderbaren kammermusikalischen Frühlingsabend.
Michael Hug