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Zu der vergnüglichen Strand-Geschichte auch das dazugehörende Strandfoto mit dem ganzen «Ventaglio»-Ensemble. © FREE OPERA COMPANY– Ingo Höhn
Free Opera Company Zürich: IL VENTAGLIO (Pietro Raimondi 1786 – 1853) -Theater im Seefeld, Zürich
Premiere 27.9.2019, besuchte Aufführung 4.10.2019
Witzige Verwechslungskomödie
Auch für ihre diesjährige Produktion hat Bruno Rauch, Intendant der Free Opera Company Zürich, etwas ganz Besonderes ausgesucht: „Il Ventaglio“, eine Musik-Komödie in der besten Opera Buffa-Manier. Der 1786 in Rom in ärmliche Verhältnisse hinein geborene Pietro Raimondi sollte es zu einem guten Renommée in der Opernszene seiner Epoche bringen. An die fünfzig Opern hat er geschrieben, viel geistliche Musik und er verstand sich auch auf kammermusikalische Finessen. Leider ist viel von ihm vergessen, aber die Oper „Il Ventaglio“ hat sich irgendwie halten können. Dazu trug mal die literarische Vorlage von Carlo Goldoni bei, die der viel beschäftigte Librettist Domenico Gilardoni zu einem funktionstüchtigen Vehikel für die zahlreichen und höchst witzigen Ensemble-Sätze umgeformt hat. Die Dialoge wurden – die Premiere fand 1831 in Neapel statt – in teils neapolitanischem Dialekt, teils in italienischer Schriftsprache gesetzt – dies je nachdem, welcher Gesellschaftsschicht die Person, die gerade spricht, angehört. Erst für die Mailänder Aufführung wurden dann mit dem Cembalo begleitete Secco-Rezitative von fremder Hand hinzugefügt.
Die Free Opera Company stützt sich für ihre Produktion auf die Urfassung. Angepasst an die hiesigen Verhältnisse werden die Dialoge deutsch gesprochen, die Musik italienisch gesungen. Auch wird nicht eine historisierende Rokoko-Atmosphäre beschworen, sondern die Handlung wurde an den Strand eines Sommerbades der Jetzt-Zeit verlegt. Eine gute Idee, zumal die jungen Sängerinnen und Sänger des „Ventaglio“-Ensembles in Badeanzügen durchwegs sehr ansehnlich waren. Das zauberhafte Bühnenbild mit den Umkleide-Kabinen, dem kleinen Kiosk und dem ins Publikum vorragenden Strandsteg bot eine hervorragende Spielfläche für die bewegungsreichen Interaktionen der Darsteller. Bruno Rauch ist nicht nur ein höchst einfallsreicher und intelligenter Regisseur, sondern hat gleich noch das Bühnenbild entworfen; für die Kostüme und die Ausstattung sorgte professionell Natalie Péclard. Sehr gut auch die Lichtführung von Martin Brun: Da passte das heisse Sonnenlicht am Strand ebenso wie das blass-blaue Mondlicht für die nächtliche Verwechslungskomödie. Dabei hat der Fächer im Titel der Oper nur die Funktion, die Verwechslungen und Intrigen in Gang zu bringen, die sich zum Schluss alle in eine ansteckende Heiterkeit auflösen.
In diesem Setting war es eine Freude, dem ausgewogenen besetzten Ensemble von den Solisten bis zu den Chorsolisten zuzuschauen und vor allem zuzuhören. Da ist auch mal ein grosses Lob für das Casting fällig – auch an Bruno Rauch -, diese zehn Solorollen und sieben Chorsolisten alle mit guten Stimmen und Darstellern besetzt zu haben.
Sara-Bigna Janett (Marinella) mit Fabio Antoniello (Evaristo). © FREE OPERA COMPANY– Ingo Höhn
Allen voran ist Sara-Bigna Janett als Marinella zu nennen, die hier eine temperamentvolle Goldoni-Frauenfigur, voll Selbstbewusstsein und Witz, auf die Bühne stellt. Ihre Marinella wirkt in allem sehr professionell; sie konnte ihre Stimme, je nach Situation, einfärben, ob sie nun witzig, launisch, liebenswert oder wie auch immer sein sollte: eine schöne Leistung! Ihr zur Seite waren Anna Gitschthaler als Susanna und Anna Miklashevich als Barbara höchst respektabel, wobei vor allem die Sängerin der Barbara, wenn sie sich weiter so entwickelt, zu berechtigten Hoffnungen Anlass gibt. Ihrer Höhe, die gut sitzt und expansiv ist, dürfte sie noch Einiges an Rundung angedeihen lassen. Susanne Andres war die schrullige Madame Clotilde, für die man eine schöne Donizetti-Arie eingeschoben hatte. Überhaupt hatten alle Solisten eine „Aria di baule“, eine sogenannte Koffer-Arie (die seinerzeit die Sängerinnen und Sänger im Gepäck mitführten, um sie bei Gastspielen in eine fremde Oper einzusetzen, um damit zu brillieren) zugeteilt erhalten. Da konnte man sich bei deren Darbietungen über die erstaunliche stimmliche Reife der jungen Sängerinnen und Sänger „informieren“. Die „drei Helden“ der Oper waren typenmässig treffend besetzt: mit dem wendigen, charmanten Fabio Antoniello als Evaristo, mit Germain Bardot, der über einen angenehm timbrierten lyrischen Tenor verfügt, und mit Martin Roth, der mit witzig übertriebenem Pathos den Herrn Professor Roccamonte mit vollstimmigem und zeitweise vibratoreichem Bariton sang. Die weiteren Herren des Abends waren gut besetzt: Manfred Plomer als der Gastwirt Valentino, Livio Schmid als der Schumacher Crespino und Gergely Kereszturi als Moracchio, der Bademeister und eifersüchtige Bruder von Marinella.
Die Chorsolisten waren den Solisten durchaus ebenbürtig: Maria Diaz Coca, Alicia Martinez, Leila Scharwath, Ahmed Abdelghafar, Valérien Bitschnau und Maxime Thély, als Kellner Tonino wirkte Yves Ehrsam.
Das aus zehn hervorragenden Instrumentalisten zusammengesetzte Orchester – gekleidet in blaue Strandanzüge – begleitete unter Leitung von Massimiliano Matesic absolut professionell. Er atmete mit den Sängerinnen und Sängern, die sich auf ihren musikalischen Leiter blind verlassen konnten. Da hörte man in der Partitur von Pietro Raimondi manche musikalische Verwandtschaft mit Rossini, auch mit Cimarosa, manchmal sogar mit Mozart. Kurzum, man konnte sich während des ganzen Abends an dieser hübschen, qualitätvollen Musik delektieren. Schön, dass es eine Free Opera Company unter Bruno Rauch gibt!
John H. Mueller
Weitere Aufführungen: So, 06. Okt. 2019, 17 Uhr, Fr, 11. Okt. 2019, 19 Uhr, So, 13. Okt. 2019, 17 Uhr, Fr, 18. Okt. 2019, 19 Uhr und So, 20. Okt. 2019, 17 Uhr;
Einführungen jeweils 1 Stunde vor Vorstellungsbeginn.
Karten: eventfrog.ch/ventaglio oder eicherkultur@bluewin.ch / 0041 *44 422 73 9