ZÜRICH / OPERNHAUS ZÜRICH: LOHENGRIN von R.WAGNER
Aufführung vom 04. Mai 2025
Ein musikalisches und stimmliches Festtagsmahl / Dernière der Wiederaufnahme

Es hiesse Eulen nach nach Athen tragen, den Wiener Lesern und Opernfreunden die Regie von Intendant Andreas Homoki zu beschreiben, da ihr dessen Lesart bestens kennt. Bei Euch war sein „Trachtengrin im dörflichen Ambiente“, die Koproduktion mit dem Opernhaus Zürich, wenig gelitten und wurde gerade erst durch eine Neuinszenierung ersetzt. Allerdings stellt sich unbefangenen Lesern von internationalen Kritiken einerseits und Freunden, die die neue Aufführung an der STOP erlebt haben andererseits, die Frage, ob ihr mit der neuen Interpretation unter Umgehung der Traufe nicht kopfüber in der Scheisse gelandet seid? Im Vergleich dazu nimmt sich Homoki’s Regietheater zahm aus, erzählt die Geschichte immerhin korrekt der vorgegebenen Handlung nach.
Vor zehneinhalb Jahren, am 18.Okt. 2014 dirigierte Simone Young, es sangen Ch.Fischesser, K.F.Vogt, E.van den Heever, P. Lang und M.Gantner.
Von der damaligen Besetzung der Premièrenserie sind Christoph Fischesser als Heinrich der Vogler und Martin Gantner als Friedrich von Telramund weiterhin dabei. Christof Fischesser’s Bass ist in der Zwischenzeit leicht schwerer geworden, ohne jedoch an Flexibilität und Wohlklang eingebüsst zu haben. Er führt die Stimme schlank durch die Register, gute Diktion. Er verkörpert den Dorfvorsteher überzeugend, gesanglich und darstellerisch eine erstklassige Leistung.
Bei Martin Gantner haben die Zeit und die dramatischen grossen Partien gewisse Spuren hinterlassen. Der Telramund, eine gefürchtete „Brüll-Partie“, steht rollenbedingt stets unter Strom: seine Klagen gegen Elsa und den seltsamen Fremden, sein Machtanspruch an Heinrich, seine Verteidigung gegen sein Weib in Akt 2, alles muss bei vollem Orchestersatz aggressiv vorgetragen werden. Gantner teilt sich die Partie klug ein, wenige Passagen tönen wie nicht unterfüttert, etwas fahl, ein paar Mal umschifft er Klippen mit Deklamation. Trotz dieses Einwands eine noch immer gültige, eindrückliche, den Rollencharakter treffende Interpretation.
Auch die Partie seiner Gattin, der reaktionären Intrigantin Ortrud, hat ihre Klippen: der erste Teil in Akt 2 verlangt neben den gleissenden Hochtönen (Bsp: „Entweihte Götter“) recht viel Tiefe. Da hat Anna Smirnova weniger anzubieten als Sängerinnen mit Mezzo Vergangenheit. Ihr eindeutiger Trumpf sind absolut stupende Sopran-Raketen, die sie todsicher und intonationsrein abfeuert. Diese scheinen ihr keine Mühe, im Gegenteil Spass zu machen. Sie spielt souverän auf der Klaviatur der Ränke schmiedenden Manipulatorin/Lügnerin, sehr beeindruckend.
Der Wiener Michael Kraus bot als Heerrufer ein angenehmes Timbre und gute Diktion an. Auch die Nachwuchssänger Christopher Willoughby, Felix Gygli, Tomislav Jukic und Max Bell aus dem Opernhaus Studio als brabantische Edle waren perfekt studiert.
Das Beste hab ich mir aufgespart, ich verleihe vier Mal drei Sterne:
1) Die ersten Sterne gehen an den Dirigenten Axel Kober und die Philharmonia Zürich. Aufgrund der Akustik des Hauses wird in Zürich oft zu laut gespielt. Herr Korber liess schon mit dem Vorspiel, das er quasi aus dem Nichts bis zum Kulminationspunkt und ebenmässig wieder zurückführte, aufhorchen. Während den ganzen viereinhalb Stunden wurde höchst differenziert musiziert, Schattierungen von leise oder fast noch weniger bis zu austarierten fff-Stellen wie im Finale Akt 1 waren Beweis einer grandiosen musikalischen Leitung. Auffallend war wie oft Herr Korber das Orchester sängerfreundlich in Piano- und mezzoforte-Klang zurücknahm, was Lohengrin und Elsa erlaubte, auf Linie, heutzutage selten gehörtes Legato und Piani zu präsentieren.
Das Orchester lieferte eine Leistung von allererster Qualität ab, stellvertretend sei lobend „nicht ein einziger Kickser der Bläser“ erwähnt.
2) Der zweite Stern geht an die Damen und Herren des Chors, des Zusatzchors und der Sopralti und ihrem Leiter Janko Kastelic. Perfekte Diktion selbst bei überwältigenden Klangeruptionen, schlicht aus einem Guss.
3) Der dritte Stern geht an den Lohengrin des Pjotr Beczala, der uns Zuhörer mit seinem edlen Timbre gefangen nahm, uns unzählige herrliche Piano Phrasen schenkte, aber auch an entscheidenden Stellen heldischen Ausdrucks fähig war. Seine „Taube“ in der Gralserzählung mit zarter Kopfstimme war zum Niederknien, danke allein für diesen Moment.
4) Der vierte, letzte Stern geht an die Elsa der Simone Schneider mit einem technisch perfekt geführten, hohen Sopran. Die Traumerzählung, fast ausschliesslich im Pianobereich entrückt gesungen, war eine erste Offenbarung. Ihre Stimme ist nicht nur im lyrischen Bereich mit den sauber angesetzten Piani von höchster Qualität, sie bewährt sich auch beim Aufbegehren im Brautgemach im jugendlich-dramatischen Bereich, und alles bei perfekter Diktion. Das ist die Elsa unserer Tage!
Das Dirigat erlaubte Lohengrin und Elsa, Richard Wagner’s Ansicht, deren Musik sei in der Manier der italienischen Oper vorzutragen, genau so zu singen.
Fazit: Sternstunden an der Zürcher Oper, begeisternder Jubel !
Alex Eisinger