Giuseppe Verdi: Un ballo in maschera • Opernhaus Zürich • Premiere: 08.12.2024
Horrorgeschichte, Melodram und Unterhaltungsshow auf dem Karussell
Regisseurin Adele Thomas begeistert das Publikum mit ihrer durchdachten Konzeption von Verdis Maskenball. Mit der Premiere krönt die Philharmonia Zürich nach dem fliegenden Holländer am Freitagabend und «Giselle» am Samstagabend den Beweis ihrer enormen Flexibilität und Stilsicherheit.
Foto © Herwig Prammer
Adele Thomas (Inszenierung) siedelt ihre Konzeption des Ballo im Amerika der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, konkret in der von der Industrialisierung geprägten Zeit nach dem Bürgerkrieg, an. Der Abend beginnt mit einer Rückblende: Während der Ouvertüre wird das Auditorium Zeuge der Obduktion des ermordeten Riccardo. Entsprechend wechselt das Gesicht des auf dem Bühnenvorhang eingeblendeten Wahl-Flugblatts (Video: Tieni Burkhalter) zu einem Totenkopf und Renato wird in Sträflingskleidern hereingeführt. Die Beobachter in der hörsaalartigen Architektur erinnern an eine Mischung von Abraham Lincoln und den Gründervatern. Nach der Präparation zweier Kugeln und anderer Dinge, mit dem Ende des einleitenden Chors («Posa in pace»), tritt der Graf auf («S’avanza il Conte»): Riccardo erhebt sich vom Schragen und die Oper kann beginnen. Thomas inszeniert mit dem einen oder anderen Augenzwinkern eng am Libretto. Der auf der Drehbühne aufgebaute, karussellartige Pavillon (Ausstattung: Hannah Clark) ermöglicht rasche Auf- und Abtritte grösserer Massen, schnelle Szenenwechsel und gibt dem Stück einen ungekannten, bestens passenden Drive. Die Tatsache, dass der zweite Akte in der Ecke eines Zimmers spielt, lässt die Handlung besonders intensiv hervortreten und die Sänger nutzen den akustischen Vorteil (klangverstärkende Trichterwirkung) mit Leidenschaft aus. Emma Woods choreographiert den Chor, Statistenverein am Opernhaus Zürich und die Tänzerinnen und Tänzer (Jessica Falceri, Noa Joanna Ryff, Sara Peña, Sara Pennella, Chiara Viscido, Cristian Alex Assis, Pietro Cono Genova, Davide Pillera, Daniele Romano und Roberto Tallarigo). So schwungvoll die Tänze und der Cancan gelingen: das Gekreische dazu ist verzichtbar.
Foto © Herwig Prammer
Die Philharmonia Zürich spielt an diesem Abend grandios auf und überzeugt in allen Belangen, besonders den solistischen Stellen einzelner Instrumente und den höchsten differenzierten, an die einschlägigen Passagen aus «La Traviata» oder das Finale von Rossinis «Guillaume Tell» erinnernden Piano-Passagen und den mächtigen Forte-Stellen. Leidenschaft und purer Wohlklang bestätigen die enorme Flexibilität und Stilsicherheit des Kollektivs! Gianandrea Noseda (Musikalische Leitung) arbeitet die Kontraste wunderbar heraus und trägt die Solisten als begnadeter Sanger-Dirigent durch den Abend.
Charles Castronovo dürfte mit seinem sternenhell strahlenden, leicht metallischem Tenor mit endlosem Atem und gewaltigem Schmelz momentan eine Idealbesetzung des Riccardo sein. George Petean ist ideal bei Stimme und überzeugt mit den traumhaften Legati seines balsamisch wohlklingenden Baritons und grosser Bühnenpräsenz als Renato. Erika Grimaldi gibt die Amelia mit solcher Souveränität, dass ein Rollendebüt nicht zu vermuten wäre. Die Stimme sitz perfekt und füllt den Raum und gibt ihr so die Möglichkeit die Rolle mit bewegender Bühnenpräsenz beeindruckend intensiv zu gestalten. Agnieszka Rehlis als Ulrica fügt sich mit tadellos ansprechendem Mezzo und verführerischen Farben nahtlos in das Quartett der Hauptrollen ein. Katharina Konradi überzeugt als quirliger, vorwitziger, souverän höhentigernder Oscar auf ganzer Linie. Brent Michael Smith als Samuel und Stanislav Vorobyov als Tom, Martin Zysset als Un giudice , Steffan Lloyd Owen als Silvano und Álvaro Diana Sanchez als Un servo d’Amelia ergänzen das stupende Ensemble.
Janko Kastelic hat den Chor der Oper Zürich perfekt präpariert. Das Kollektiv überzeugt mit grosser Spielfreude und traumhaft sattem Wohlklang.
Besser kann man Verdi nicht auf die Bühne bringen!
Weitere Aufführungen: Mi. 11.Dez. 2024, 19.00; Sa. 14. Dez. 2024, 19.00; Di. 17. Dez. 2024, 19.00; Sa. 21. Dez. 2024, 19.00;
Sa. 28. Dez. 2024, 20.00; So. 05. Jan. 2025, 20.00; Fr. 10. Jan. 2025, 20.00; Mi. 15. Jan. 2025, 19.00;
So. 19. Jan. 2025, 19.30.
09.12.2024, Jan Krobot/Zürich