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ZÜRICH/Opernhaus: UN BALLO IN MASCHERA. Ein Maskenball wie ein Freischütz ohne Wald

23.12.2024 | Oper international

Giuseppe Verdi: Un ballo in maschera • Opernhaus Zürich • Vorstellungen: 11.12.2024 und 21.12.2024

(2. und 5. Vorstellung • Premiere am 08.12.2024)

Ein Maskenball wie ein Freischütz ohne Wald

Für manch einen Zuschauer scheint ein Maskenball ohne Galgenberg so undenkbar wie ein Freischütz ohne Wald. Adele Thomas aber zeigt in ihrer Inszenierung, dass das durchaus funktionieren kann.

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Foto © Herwig Prammer

Die Wahrsagerin Ulrica fordert Amelia auf, die Zutaten zum Zaubertrank «Sul campo abbominato» («auf das verabscheute Feld») «A quelle pietre infami, / Ove la colpa scontasi / Coll’ultimo sospir!» («die verrufenen Felsen, / wo man die Schuld / mit dem letzten Seufzer begleicht.») zu besorgen. Die Szenen-Anweisung zum zweiten Akt besagt dann «Campo solitario nei dintorni di Boston, appiè d’un colle scosceso. A sinistra nel basso biancheggiano due pilastri; la luna leggermente velata illumina alcuni punti della scena.» («Ein einsames Feld in der Umgebung von Boston am Fusse eines steilen Hügels. Links im tieferen Teil zwei weisse Säulen; der leicht verschleierte Mond erleuchtet einige Stellen der Szene.»). In der Inszenierung von Adele Thomas ist die als «Galgenberg» bekannte Örtlichkeit nun eine schlecht beleuchtete Gasse. Zur Inszenierung, die zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs spielt, passt das wesentlich besser als ein dunkles Feld mit weissen Säulen. So wie es Verdi beim «Rigoletto» auf die Leiche im Sack ankam (und nicht so sehr auf die Frage, ob die Geschichte auf Schloss Chambord oder in Mantua spielt), geht es hier um die einsame, für eine einzelne Frau aus besserer Gesellschaft «verabscheuenswürdige» Örtlichkeit (und nicht den konkreten Leichenacker). Basis der Inszenierung Thomas ist ein pavillonartiger Aufbau auf der Drehbühne (Ausstattung: Hannah Clark), der ihr ermöglicht die Geschichte ohne Unterbrechung eng am Libretto zu erzählen. Der Chor der Introduktion inspiriert Thomas, die Geschichte als Rückblende zu gestalten: So beginnt der Abend mit der Obduktion Riccardos, bis dieser sich dann zu seinem ersten Auftritt vom Schragen erhebt. Der Pavillon ist hier zuerst Hörsaal, dann Politarena und zum Schluss des ersten Akts Heimstatt Ulricas. Der dritte Akt spielt dann in den Gemächern Renatos, der Ball in einem Tanz-Pavillon (Emma Woods choreographiert das  Tanzensemble: Francesco Guglielmino, Manuel von Arx, Martin Durrmann, Tomasz Robak, Steven Forster). Thomas bricht mit den visuellen Konventionen des Stücks, was diesem aber sehr zugute kommt.

Mit viel Schmelz, etwas Metall und endlosem Atem gestaltet Charles Castronovo einen Riccardo, der sich bestens ins Inszenierungskonzept einpasst. George Petean ist momentan traumhaft bei Stimme und gestaltet den Renato wie man ihn sich intensiver nicht vorstellen kann. Erika Grimaldi löst das mit ihrer konzertanten Maddalena di Coigny im Sommer gegebene Versprechen ein und triumphiert als souveräne Amelia, die sie mit perfekt sitzender Stimme und grosser Bühnenpräsenz intensiv gestaltet.

Agnieszka Rehlis fügt sich mit wunderbaren Tiefen, satter Mittellage, sauberen Höhen und verführerischen Farben als Ulrica nahtlos in das Quartett der Hauptrollen ein. Der Oscar von Katharina Konradi gerät stimmlich tadellos, szenisch aber stark übertrieben. Brent Michael Smith als Samuel und Stanislav Vorobyov als Tom sind zwei stimmlich prächtige, szenisch glaubwürdige Verschwörer. Martin Zysset macht den Obersten Richter zum szenischen Kabinettstück. Steffan Lloyd Owen als Silvano und Álvaro Diana Sanchez als Un servo d’Amelia ergänzen das Ensemble. Der Statistenverein am Opernhaus Zürich trägt seinen Teil zum Gelingen des beeindruckenden Abends bei. In einer Doppelrolle überzeugt der junge Lucien Hebeisen als Sohn Riccardos/Sohn Renatos mit bemerkenswertem schauspielerischen Talent.

Die Philharmonia Zürich spielt auch an diesem Abend grandios auf und überzeugt in allen Belangen mit Leidenschaft und purem Wohlklang. Gianandrea Noseda (Musikalische Leitung) arbeitet die Kontraste wunderbar heraus und trägt die Solisten als begnadeter Sanger-Dirigent durch den Abend. Janko Kastelic hat den Chor der Oper Zürich perfekt präpariert. Das Kollektiv überzeugt mit grosser Spielfreude und traumhaft sattem Wohlklang.

Thomas bricht mit den visuellen Konventionen des Stücks, was diesem aber sehr zugute kommt.

Weitere Aufführungen:
Sa. 28. Dez. 2024, 20.00; So. 05. Jan. 2025, 20.00; Fr. 10. Jan. 2025, 20.00; Mi. 15. Jan. 2025, 19.00;
So. 19. Jan. 2025, 19.30.

25.12.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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