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ZÜRICH/ Opernhaus: UN BALLO IN MASCHERA (6. Vorstellung). Von der Wirkung eines Trichters

29.12.2024 | Oper international

Giuseppe Verdi: Un ballo in maschera • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 28.12.2024

(6. Vorstellung • Premiere am 08.12.2024)

Von der Wirkung eines Trichters

Adele Thomas Inszenierung des Maskenball beweist weiter ihre Bühnentauglichkeit und Werktreue. Die Umsetzung des dritten Akts zeigt in idealer Weise die Wirkung eines Schalltrichters.

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Foto © Herwig Prammer

Der erste Teil des dritten Akts schildert, wie Renato damit klarkommen muss, dass er Amelia mit Riccardo erwischt hat. Rasch entschliesst er sich aber nicht Amelia zu bestrafen, sondern sich an Riccardo zu rächen. Den Verschwörern Samuel und Tom erklärt er, an ihrem Vorhaben teilzunehmen. Amelia muss das Los ziehen und es fällt auf Renato. Als Oscar eine Einladung zum Maskenball Riccardos überbringt, ist klar, wo die Rache vollzogen werden wird. Für die Szenen gibt das Libretto Folgendes vor: «Una stanza da studio nell’abitazione di Renato» («Arbeitszimmer im Wohnhaus von Renato»). Adele Thomas (Inszenierung) gestaltet dieses Arbeitszimmer als kleinen, trichterförmigen Ausschnitt aus dem Pavillon (Ausstattung: Hannah Clark). Diese Technik, die den Stimmen deutlich mehr Durchschlagskraft gibt, ist schon aus der Barockoper bekannt. Hier werden aber nicht nur die Stimmen sondern (damit) gleichermassen auch die Emotionen. Es baut sich ein fesselnder Spannungsbogen auf. Die Vorgabe des Libretto für den Übergang zum zweiten Teil des Libretto lautet dann: «Sontuoso gabinetto del Conte. Tavola con l’occorrente per iscrivere; nel fondo un gran cortinaggio che scoprirà la festa da ballo» («Ein prunkvolles Kabinett des Grafen. Ein Tisch mit Schreibzeug; hinten ein grosser Vorhang, der das Zimmer vom Ballsaal abtrennt»). Das ist nun kein Trichter mehr, aber der schmale Raum zwischen Graben und Vorhang potenziert die Emotionen noch, hier der Abschied Riccardos von Amelia («Forse la soglia attinse»/«Ma se m’è forza perderti»). Für den zweiten Teil des dritten Akts, nutzt Thomas dann wieder die eigentliche Pavillon-Konstruktion: «Vasta e ricca sala da ballo, splendidamente illuminata e parata a festa» («Ein grosser und prachtvoller Ballsaal, prächtig erleuchtet und geschmückt für das Fest»).

Charles Castronovo gibt den Riccardo mit souverän geführtem Tenor mit viel Schmelz und Emotion, ein klein bisschen Metall in der Stimme, endlosem Atem und wunderbarem Strahlen. So wird das randvoll emotionsgeladene («Forse la soglia attinse»/«Ma se m’è forza perderti») zu einem Juwel der Sangeskunst. Nicht minder packend dann sein Schwur im Angesicht des Todes: «Ella è pura: in braccio a morte Te lo giuro» («Sie ist rein: Im Angesicht des Todes schwöre ich es dir»). George Petean gestaltet den Renato mit perfektem Verdi-Bariton und gestaltet gerade den ersten Teil des dritten Akts mit erschütternder Intensität und Bühnenpräsenz. Noble Tongebung, traumhaften Legati und viel Schmelz prägen seinen Vortrag. Selten ist das «Eri tu» («Eri tu che macchiavi quell’anima»/«Du warst es, der diese Seele verdarb») so bewusst durchgestaltet zu erleben. Erika Grimaldi gibt eine Amelia der Sonderklasse. Mit wunderbare klarem Sopran mit guter Mittellage und sauberen Höhen kann sie ihre Partie gestalten und wiederholt Gänsehaut-Momente auslösen. Bei «Morrò, ma prima in grazia, Deh!, mi consenti» («Ich werde sterben, aber ach, gewähre mir wenigstens») wird es so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Die Ulrica von Agnieszka Rehlis ist tadellos, kann aber konzeptbedingt, es wird hier im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen nicht übermässig Gewicht zugestanden, weniger reüssieren. Katharina Konradi gibt eine musikalisch einwandfreien Oscar mit gestochen scharfen Koloraturen. Szenisch, und dafür kann sie ja nichts, wird die Partie immer outrierter, wird je länger, je mehr «froschiger» (erinnert an Straussens Frosch). Steffan Lloyd Owen als Silvano, Brent Michael Smith als Samuel, Stanislav Vorobyov als Tom, Martin Zysset als Un giudice und Álvaro Diana Sanchez als Un servo d’Amelia ergänzen das formidable Ensemble.

Einmal mehr hat der Chor der Oper Zürich (Choreinstudierung: Janko Kastelic) einen grossen Abend. Der Schlusschor «Cor sì grande e generoso Tu ci serba, o Dio pietoso» («Ein so grosses und edles Herz bewahre uns, gnädiger Gott») könnte packender, berührender nicht gelingen.

Die Philharmonia Zürich unter GMD Gianandrea Noseda schliesst sich diesen superben, weit über Repertoire-Niveau liegenden Leistungen nahtlos an. Stellvertretend für die traumhafte Leistung des Kollektivs seien hier die Streicher erwähnt.

Ein Fest der Oper, ein denkwürdiger Abend.

Weitere Aufführungen: So. 05. Jan. 2025, 20.00; Fr. 10. Jan. 2025, 20.00; Mi. 15. Jan. 2025, 19.00; So. 19. Jan. 2025, 19.30.

29.12.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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