Giacomo Puccini: Turandot • Opernhaus Zürich • Wiederaufnahme: 30.06.2024
(Premiere am 18.06.2023)
Superman bei Biene Maja und den Pfadfindern
Mit der Wiederaufnahme von Puccinis Opus ultimum «Turandot» (in der Fragment-Fassung) schliesst das Opernhaus Zürich den Reigen der Wiederaufnahmen der laufenden Saison. Musikalisch gelingt die Produktion deutlich besser als in der Premierensaison, szenisch erweist sie sich als «zeitlos».
Foto © Monika Rittershaus
Robert Treviño hat intensiv mit der Philharmonia Zürich geprobt und, was nicht für jeden Dirigenten selbstverständlich zu sein scheint, mit der Akustik des Hauses vertraut gemacht. So überzeugt sein Debüt am Haus durch einen feinst austarierten Klang, der zwischen Pianissimo und Fortissimo alle Schattierungen kennt und nutzt. Die Philharmonia ist in Höchstform und so kommen klangliche Details zur Geltung, die in den schieren Klangmassen der Premieren-Saison untergegangen sind. Treviño und der Philharmonia gelingt ein leidenschaftlicher, extrem farbenreicher Wohlklang jenseits aller Schwülstigkeit, in die es abzurutschen bei dieser Partitur so gefährlich leicht ist.
Chorleiter Janko Kastelic hat, so war zu vernehmen, mit den Chören (Chor der Oper Zürich, Chorzuzüger, Zusatzchor Opernhaus Zürich, SoprAlti der Oper Zürich und Kinderchor) nochmal intensiv geprobt und so werden mit grosser Textverständlichkeit die Piani wirklich «piano» gesungen und die Forteausbrüche kommen wunderbar fokussiertem sattem Wohlklang.
Ein grosses Bravo an die Kollektive!
Anna Pirozzi gibt an diesem Abend eine beeindruckende Turandot. Die wunderbar volle Stimme sitz perfekt und trägt bis in den letzten Winkel des Hauses. Ihre Bühnenpräsenz ist Zeichen dafür, dass sie die Partie wirklich durchdrungen hat und so frei spielen und gestalten kann. Martin Zysset, von der Maske herrlich zurecht gemacht, kann als Kaiser Altoum mit seinem bestens gepflegten Tenor überzeugen. Weniger überzeugend gelingt David Shipley der Timur : die Stimme trägt zwar, klingt an diesem Abend aber dumpf und gaumig. Elbenita Kajtazi gibt die Liù mit glasklarem, intensiv geführtem Sopran. Der positive Eindruck wird aber durch eine Unsicherheit der Sängerin geprägt, die sie wiederholt einzuschränken scheint. Piero Pretti dürfte momentan eine Idealbesetzung des unbekannten Prinzen (Calaf) sein. Pretti hat die Partie mit all ihren Nuancen verinnerlicht und kann seinen beeindruckenden Spinto-Tenor so frei einsetzen und musikalisch ein überzeugendes Rollenporträt gestalten. Die Stimme strömt bei schier unendlichem Atem herrlich frei mit strahlende Höhen und feinem Metall. Diesen Künstler möchte man öfter erleben! Xiaomeng Zhang, Cameron Becker und Nathan Haller als Ping, Pang und Pong harmonieren tadellos und gestalten ihrer Auftritte überzeugend. IOS-Mitglied Samson Setu gibt den in Mandarin und Edith Missuray und Shijia He die Due ancelle.
Die «Inszenierung» von Sebastian Baumgarten (Bühnenbild: Thilo Reuther; Kostüme: Christina Schmitt) erweist sich als zeitlos: Die Addition seiner Assoziationen ist noch genauso schwierig verständlich wie in der Premieren-Saison. Zentral, so der Regisseur im Interview im Programmheft, sei für ihn der Gedanke der Überschreibung, so, wie Gozzi das Märchen aus Tausenundeiner Nacht und Puccinis Librettisten Gozzis Werk erneut überschrieben hätten. Dazu nehme man ein grosses Blatt Papier und beginne, eine Welt darauf zu zeichnen. Dieses Blatt Papier ist, mit dem Vermerk des Aufzugs und dem Register von Turandots Opfern, Basis des Bühnenbilds. Nun beginnt Baumgarten zu assoziieren. Das Problem dabei ist nun, dass die Kombination der in sich vielleicht stimmigen Assoziationen keinen Zusammenhang hat, sich nicht in der notwendigen Direktheit mitteilt. Man kann Turandot und ihr Volk ja als Bienen sehen. Wieso tragen dann ihre Offiziere die für kommunistische Armeen typische Riesen-Mützen? Wo ist der Zusammenhang zu Supermann? Und welche Bienenkönigin fährt U-Boot? Und wie lässt sich die Mitwirkung von «Performern» (Laetitia Kohler, Kilian Haselbeck, Alison Adnet, Olivier Ometz, Anna Virkkunen, Benjamin Mathis, Manel Jose Salas Palau, Steven Forster; Choreografie: Sebastian Zuber) in das Ganze einordnen? Fragen über Fragen und keine Lösung in Sicht. Der Zuschauer wird sich selbst überlassen.
Selbst die Assoziation des Kritikers bleibt gleich: «Ich weiss nicht, was soll es bedeuten, …» (Loreleylied)
Weitere Aufführungen:
Mi. 03. Juli 2024, 19.00; Sa. 06. Juli 2024, 19.00; Di. 09. Juli 2024, 20.00; Fr. 12. Juli 2024, 19.00
01.07.2024, Jan Krobot/Zürich