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ZÜRICH/ Opernhaus: TURANDOT / 5. Vorstellung. «Ich weiss nicht, was soll es bedeuten, …»

01.07.2023 | Oper international

Giacomo Puccini: Turandot • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 30.06.2023

(5. Vorstellung • Premiere am 18.06.2023)

 «Ich weiss nicht, was soll es bedeuten, …»

«Piotr Beczała, der vor wenigen Tagen sein Rollendebüt mit der Partie des Calaf feierte, muss sein Engagement für die verbleibenden «Turandot»-Vorstellungen aus gesundheitlichen Gründen absagen» (Statement vom 26.06.2023). An diesem Abend springt Martin Muehle ein, die beiden folgenden Vorstellungen übernimmt Teodor Adrian Ilincai.

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Foto © Monika Rittershaus

Mit Martin Muehle übernimmt ein jugendlicher Heldentenor (Spinto-Tenor) die Partie des Calaf. Muehles Tenor ist perfekt geführt, und vermag, fein abgedunkelt, mit sattem Schmelz und leichtem Metall, absolut überzeugen. Wie Beczała hat Muehle einen langen Atem, setzt im Gegensatz zu ihm aber sehr bewusst und nicht ostentativ bei jeder Phrase ein. Dadurch wirkt sein Auftritt natürlich weniger lyrisch, was aber besser zur «frenetischen Heldenfigur, die gegen alle Rat und gegen alle Vernunft» (Baumgarten im Interview im Programmheft) handelt, passt. Das «Nessun dorma» gelingt tadellos und wird vom Publikum heftig akklamiert. Die Turandot von Sondra Radvanovsky ist schlicht eine Wucht! Ihre Stimme flutet das Haus souverän bis in den letzten Winkel, lässt sich dabei auch nicht vom Orchester zudecken und gestaltet mit intensiver Bühnenpräsenz eine ergreifende, eiskalte Prinzessin. Nicola Ulivieri gibt mit wendigem, recht hell klingendem Bass einen Timur, dem die Vaterrolle nicht sofort anzumerken ist. Martin Zysset, eine Stütze des Zürcher Ensembles, singt den Kaiser Altoum mit rollengerecht brüchiger Stimme und von der Maske perfekt «auf Alt» gemacht. An Rosa Feolas Liù gibt es gesanglich nichts aussetzen. Das Spiel wirkt aber recht hölzernen, in Richtung «frisch von Konservatorium». Das Trio Ping, Pang und Pong ist mit Xiaomeng Zhang, Iain Milne und Nathan Haller perfekt besetzt: drei herrliche Stimmen, die stimmlich wie szenisch wunderbar harmonieren. Jungrae Noah Kim gibt mit sonorem Bass den Mandarin. Als Performer agieren Juliette Rahon, Egon Gerber, Anna Virkkunen, Benjamin Mathis (Pu-Tin-Pao), Safet Mistele, Olivier Ometz, Alison Adnet (Der persische Prinz) und Kilian Haselbeck.

Die musikalische Leitung des Abends hat Marc Albrecht. Er hat das Geschehen souverän im Griff, dirigiert die einschlägigen Stellen aber konsequent zu laut und deckt die Sänger gnadenlos zu. Dies wirkt um so deutlicher, als dass er in den lyrischen Momenten zeigt, dass die Philharmonia Zürich auch in grosser Besetzung zu berückenden Piani fähig ist. Janko Kastelic hat den Chor der Oper Zürich, die Chorzuzüger und den Zusatzchor des Opernhauses Zürich tadellos vorbereitet.

Für die Inszenierung vermerkt der Besetzungszettel Sebastian Baumgarten. Zentral, so der Regisseur im Interview im Programmheft, sei für ihn der Gedanke der Überschreibung, so, wie Gozzi das Märchen aus Tausenundeiner Nacht und Puccinis Librettisten Gozzis Werk erneut überschrieben hätten. Dazu nehme man ein grosses Blatt Papier und beginne, eine Welt darauf zu zeichnen. Dieses Blatt Papier ist, mit dem Vermerk des Aufzugs und dem Register von Turandots Opfern, Basis des Bühnenbilds (Bühnenbild: Thilo Reuther). Und hier kommt nun das Grundproblem von Baumgartens Inszenierung zum Tragen. Baumgarten zeichnet, assoziiert, ohne den Zuhörer an die Hand zu nehmen und vor allem, und das wiegt wesentlich schwerer, ohne auch nur ein Ansatz von Ordnung in die Zeichnungen, die Assoziationen zu bringen. So beginnen die Performer (Choreografie: Sebastian Zuber) noch vor Beginn der Ouvertüre die auftretenden Choristen auf der Bühne zu positionieren. Ein Zusammenhang dieser Robert Wilson-Parodie zum Stück lässt sich kaum feststellen. Ähnlich wenig Zusammenhang gibt es bei den Pfadfinder- und Bienen-Kostümen (Kostüme: Christina Schmitt), dem U-Boot, mit dem Turandot oder dem Luftballon, mit dem der Mandarin vom Bühnenhimmel herabschwebt. Einen Zusammenhang von Werk und Inszenierung gibt es wohl bei den Kriegsbildern (Video: Philipp Haupt) oder Krankengeschichte Puccinis. Diese Ansätze sind aber leider nicht weiter ausgearbeitet.

Die Assoziation des Kritikers? Das Loreleylied: «Ich weiss nicht, was soll es bedeuten, …»

Weitere Aufführungen in der Saison 2022/2022: Di. 04. Juli 2023, 19.00 und Sa. 08. Juli 2023, 19.00.

Weitere Aufführungen in der Saison 2023/2024: So. 30. Juni 2024, 19.30; Mi. 03. Juli 2024, 19.00;

Sa. 06. Juli 2024, 19.00; Di. 09. Juli 2024, 20.00; Fr. 12. Juli 2024, 19.00.

 

01.07.2023, Jan Krobot/Zürich

 

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