Giacomo Puccini: Tosca • Opernhaus Zürich • Wiederaufnahme: 15.12.2022
(Premiere am 29.03.2009)
«Tosca, du lässt mich Gott vergessen!»
Puccini wirkt immer. Wenn er aber so wirkt, wie an diesem Abend, ist es eine Sternstunde der Oper.
Foto © Monika Rittershaus
Robert Carsens Inszenierung der Tosca, in den 1990er-Jahren für die Vlaamse Opera entstanden und seither in verschiedenen europäischen Städten teilweise parallel gezeigt, basiert dem Motto «Come la Tosca in teatro» folgend darauf, dass sich für die Sängerin Floria Tosca die Grenzen von Leben und Theater verwischen. Das Publikum, ins Theater gekommen, um die Oper über die Opernsängerin Floria Tosca zu sehen, erlebt die Geschehnisse aus ihrer Sicht, in der sich die Grenzen von Leben und Theater auflösen. Sängerin sein ist für Tosca, die auch im wirklichen Leben nur noch in den Kategorien des Theaters denkt, ein Bewusstseinszustand. So ist nicht mehr klar, ob das Finale des ersten Akts Gottesdienst oder Opernszene, das Finale des dritten Akts ein Theaterstück oder das wahre Leben ist. In der Ausstattung Anthony Wards sind so Sant’Andrea della Valle, Scarpias Gemächer und die Plattform der Engelsburg immer auch Theaterbühne, die Davy Cunningham meisterlich beleuchtet.
Ganz wesentlichen Anteil am Gelingen dieser Sternstunde hat das Dirigat von GMD Gianandrea Noseda. Und natürlich die Philharmonia Zürich, die ihm bedingungslos folgt. Von den ersten Takten an ist zu hören, wie intensiv geprobt und das Stück vom Schlendrian der Tradition befreit wurde. Das feinfühlige Dirigat und das beseelte Spiel der Philharmonia machen erst so richtig bewusst, welch genialer Theaterkomponist Puccini war. So wird das Vorspiel zum dritten Akt zur Sternstunde in der Sternstunde. Ernst Raffelsberger hat den Chor der Oper Zürich und den Kinderchor der Oper Zürich bestens für ein stimmgewaltiges Te Deum vorbereitet.
Sondra Radvanovsky gibt eine stimmlich reife, szenisch sehr jugendliche Floria Tosca. So überragend die musikalische Interpretation wie die Eifersuchtsszene im 1. Akt oder das «Vissi d’arte» ist, so wenig will das mädchenhafte Auftreten zu dieser Interpretation passen. Jonas Kaufmann als Mario Cavaradossi scheint von seiner Wiener Indisposition noch nicht ganz erholt: im 1. Akt tönt die Stimme noch leicht verschattet. Bryn Terfel lässt als Baron Scarpia keine Wünsche offen. Brent Michael Smith ist mit seinem kernigen Bass eine Luxus-Besetzung des Cesare Angelotti. Valeriy Murga gibt einen Mesner wie man sich ihn vorstellt und Martin Zysset führt als Spoletta Scarpias Befehle aus. Aksel Daveyan als Sciarrone, Leandra Nitzsche als Hirte und Benjamin Molonfalean als Un carceriere ergänzen das Weltklasse-Ensemble
Eine Sternstunde der Oper.
Weitere Aufführungen:
Sa. 17. Dez. 2022, 19.30; Di. 20. Dez. 2022, 19.00; Do. 29. Dez. 2022, 19.00;
So. 01. Jan. 2023, 20.00; Mi. 04. Jan. 2023, 19.00.
15.12.2022, Jan Krobot/Zürich