Giacomo Puccini: Tosca • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 06.10.2021
(2. Vorstellung • Wiederaufnahme am 03.10.2021)
«Come la Tosca in teatro»
Mit der Wiederaufnahme von Robert Carsens Tosca-Inszenierung hält die grosse Oper wieder endgültig Einzug im Opernhaus Zürich. Sonya Yoncheva ist die mit Abstand bester Interpretin der Tosca, die in Zürich seit langer, langer Zeit zu hören ist.
Sonya Yoncheva, Thomas Johannes Mayer; Foto © Monika Rittershaus
Robert Carsen macht in seiner Inszenierung unter dem Motto «Come la Tosca in teatro» deutlich, wie sehr Theater und Kirche verbunden sind und mit den gleichen Mitteln der Inszenierung arbeiten. Entsprechend haben ihm Anthony Ward und Alexander Lowde (Ausstattung) für den ersten Akt den Kirchenraum von Sant’Andrea della Valle und ein Theater zusammengeführt. Hier wartet das Publikum auf das Te Deum und die Apotheose Toscas als Maria in einer prächtigen Mandorla. Scarpias Gemächer im zweiten Akt und die Plattform der Engelsburg im dritten Akt atmen ebenfalls Theaterluft, da das wesentlich Charakteristikum Toscas ja das ist, dass sie nicht zwischen Theater und Realität unterscheiden kann. Als ihren beiden treuesten Fans tot sind, wählt die Diva dann stilecht den tragischten aller Abgänge: sie stürzt sich in den Orchestergraben.
Sonya Yoncheva bietet als Floria Tosca eine perfekte Interpretation. Die Stimme sitzt und trägt perfekt, verführerische Tiefen, eine satte Mittellage und blitzsaubere Höhen vereinigen sich zu einem Ganzen. Auch stilistisch bleiben keine Wünsche offen: Yoncheva findet das rechte Mass an Dramatik und veristischem Aplomb. Diese absolute stimmliche Souveränität ermöglicht es ihr vollkommen in der Rolle aufzugehen. Yoncheva wird zu Tosca und so kann sie auch mal mit ihrem Geliebten schäkern, ihn am Schal über die Bühne ziehen oder die Eifersucht auf ihre vermeintliche Nebenbuhlerin (der Fächer fliegt kurzer Hand zielsicher gegen das Gemälde) und den Ekel vor Scarpia, kulminierend in seiner Erdolchung richtig leben. Ihr «Vissi d’arte» wird so, sie steht im Scheinwerferkegel, der Portalrand ist beleuchtet, zum absoluten Höhepunkt des Abends. Yoncheva ist die mit Abstand bester Interpretin der Tosca, die in Zürich seit langer, langer Zeit zu hören ist. Joseph Calleja bringt als Mario Cavaradossi eine ähnliche stimmliche Souveränität wie Yoncheva mit, auch wenn seine vibratoreiche Stimme Geschmacksache bleibt. Im Laufe des Abends kann er sie immer besser umsetzen. Während die Darstellung im ersten Akt noch etwas hölzern bleibt, läuft er im zweiten und dritten Akt zu grosser Form auf. Die Vittoria-Rufe sind gleichermassen kraftvoll wie ästhetisch ziseliert. Das «O dolci mani» im dritten Akt gestaltet er so, dass zu spüren ist, dass die Hände nicht nur «mansuete e pure» («zart und rein») sind. Der Ekel vor dem Blut Scarpias, auch wenn es das des Feindes ist, das an Toscas Händen klebt, wird direkt spürbar. Thomas Johannes Mayer als Baron Scarpia ist leider eine wenig glückliche Besetzung. Ein guter Wagner- und Strauss-Sänger muss nicht zwingend auch im italienischen Fach reüssieren. Ihm fehlt die stimmliche Souveränität Yonchevas und Callejas, die der Scarpia genauso haben müsste. Die Phrasen werden eruptionsartig herausgeschleudert, eine kernige Färbung der Stimme soll die Bösartigkeit, die Verschlagenheit Scarpias darstellen. Hinzu kommt, dass er gerade im ersten Akt sich nicht gegen das Orchester durchsetzen kann und hoffnungslos untergeht. Der Cesare Angelotti ist mit Stanislav Vorobyov bestens besetzt. Sein kräftiger, bestens verständlicher Bass trägt im ganzen Haus, so dass die besetzungstechnisch oft vernachlässigte Partie hier richtig zur Geltung kommt und der Sänger sie auch gestalten kann. Valeriy Murga könnte aus der Figur des Mesners mehr machen. Seine Darstellung der Figur gerät an diesem Abend etwas eindimensional und floskelhaft. Der Spoletta ist bei Martin Zysset, seit Jahrzehnten eine Stütze des Ensembles in besten Händen. Bassbariton Ilya Altukhov als Sciarrone und Benjamin Molonfalean als Un carceriere fügen sich nahtlos in das Ensemble des Abends ein. Claire Schurter singt den Hirten mit kräftiger Stimme und bestens verständlich.
Ernst Raffelsberger hat den Chor der Oper Zürich und den Kinderchor der Oper Zürich bestens präpariert, so dass im «Te Deum» keine Wünsche offenbleiben. Der Statistenverein am Opernhaus Zürich trägt wie immer zuverlässig seinen Teil zum Gelingen des Abends bei.
Die Philharmonia Zürich unter Leitung von Paolo Carignani spielt ihren Part schlicht grandios. Selbst in den Fortissimo-Stellen wird das Spiel nie pastos und bleibt immer durchhörbar.
Grosses Theater!
Weitere Aufführungen: 09.10.2021, 19.00; 12.10.2021, 19.00; 17.10.2021, 20.00.
07.10.2021, Jan Krobot/Zürich