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ZÜRICH/ Opernhaus: SIMON BOCCANEGRA. Premiere live auf ARTE

Kalter Kaffee

06.12.2020 | Oper international

Giuseppe Verdi: Simon Boccanegra, Opernhaus Zürich, Premiere live auf ARTE: 06.12.2020

Kalter Kaffee

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Christof Fischesser (Jacopo Fiesco), Christian Gerhaher (Simon Boccanegra), Jennifer Rowley (Amelia Grimaldi); Foto © Monika Rittershaus.

Regisseur Andreas Homoki hat sich entschieden, die Mittelalter-Handlung von Verdis „Simon Boccanegra“ ästhetisch näher an unsere Zeit heranzurücken und lässt etwa zwischen 1895 und 1920 spielen. Eine uns eher vertraute politische Situation, in der die aristokratischen Eliten vom Bürgertum verdrängt wurden, sei der 1. Weltkrieg. Sein Ausstatter Christian Schmidt hat ihm dazu reichlich mit Türen bestückte Palastmauern auf die Drehbühne gestellt (Künstlerische Mitarbeit Bühnenbild: Florian Schaaf). So erinnert das Bühnenbild an die hauseigenen Produktionen von „Don Pasquale“, „I Capuleti“ oder „Tristan und Isolde“. Ein Schiffswrack stellt den Bezug zu Boccanegras Karriere als Korsar wie auch zum Ort der Handlung, Genua her. Mit der Drehbühne wird ohne Umbaupausen gespielt, was mit sich bringt, dass der Wechsel zwischen Innen und Aussen vor allem durch prägnante Beleuchtungswechsel (Lichtgestaltung: Franck Evin) angedeutet wird. Die Uniform der Militärs erinnert deutlich an die Uniformen des Faschismus, der in dieser Zeit (1922) in Italien an die Macht gekommen ist. Den Schlachtruf „Guerra a Venezia“ (zu Beginn der Ratsszene) unterstreicht ein Uniformträger mit einem gehobenen rechten Arm.

Leider vermag die Inszenierung nicht zu überzeugen. Der Abend wird durch den häufigen Einsatz der Drehbühne unnötig unruhig. Ob das nervöse Spiel des Titelheldens zur Inszenierung gehört, wird nicht wirklich klar. Immer wieder tritt ein kleines Mädchen als Vision Marias auf.

Durch den Einsatz der Drehbühne und den fehlenden, durch die Umbaupause zu erreichenden Kontrast, wird Amelias Auftrittsszene („Come in quest’ora bruna“) verschenkt. Es ist klar, dass sich in der folgenden Szene, in der sich Amelia und Gabriele (der durchs Fenster einsteigt) begegnen, die Liebenden nicht umarmen können. Das Spiel der beiden ist aber so verklemmt, wie das Kleid Amelias hoch geschlossen. Hier wäre eindeutig mehr möglich gewesen: das Begehren wäre durch den erzwungenen Abstand noch eindrücklicher geworden.

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Jennifer Rowley (Amelia Grimaldi); Foto © Monika Rittershaus.

Die musikalische und schauspielerische Leistung ist schwierig zu beurteilen, da der Klang, pandemiebedingt, zweimal bearbeitet wird. Die Philharmonia Zürich und der Chor und Zusatzchor der Oper Zürich (Choreinstudierung: Janko Kastelic) unter Generalmusikdirektor Fabio Luisi musizieren im Probensaal am Kreuzplatz (der Chor wird vom Statistenverein am Opernhaus Zürich erneut würdig vertreten), wo die vorgeschriebenen Abstände eingehalten werden können. Der Klang wird dann einen Kilometer über Glasfaserkabel ins Opernhaus übertragen und von Oleg Surgutschow, dem Tonmeister der Live-Übertragung abgemischt. Dieser Klang und die Sänger auf der Bühne werden dann fürs Fernsehen nochmals bearbeitet.

Am Fernsehen überzeugen alle Beteiligten musikalisch voll und ganz. Christian Gerhaher, der als Simon Boccanegra debütiert, überzeugt mit einem wunderbar warmen Bariton, der in der Ratsszene zu dramatischer Höchstform aufzulaufen vermag. Christof Fischesser, als Jacopo Fiesco ebenfalls Rollendebütant, gestaltet seine Rolle mit elegantem, dunklen Bass. Jennifer Rowley, auch sie debütiert in ihrer Rolle, singt eine hervorragende Amelia Grimaldi. Der Georgier Otar Jorjikia als Gabriele Adorno absolviert den ersten Akt ohne Probleme. Im zweiten Akt beginnt die Stimme rau und heiser zu wirken. Bass-Bariton Nicholas Brownlee beeindruckt als Paolo Albiani mit wunderbar vollem Klang. Zusammen mit Brent Michael Smith als Pietro gestaltet er einen überzeugenden Beginn des Prologs. Siena Licht Miller als Magd Amelias und Savelii Andreev als Hauptmann der Armbrustschützen ergänzen das Ensemble des Abends.

Bleibt zu hoffen, dass die Produktion live wirkt: Das Statement für Frieden und Liebe und gegen Polarisierung wird hier nicht klar.

Weitere Aufführungen (sofern pandemiebedingt möglich):

03.01.2021, 13.00; 08.01.2021, 20.00; 12.01.2021, 19.00.

06.12.2020, Jan Krobot/Zürich

 

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