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ZÜRICH/ Opernhaus: SEMELE

06.01.2019 | Oper

 

Georg Friedrich Händel: Semele, Opernhaus Zürich, Besuchte Vorstellung: 04.01.2019

 

Aus Anlass des 30jährigen Bühnenjubiläums der unvergleichlichen Cecilia Bartoli wurde Händels „Opera after the manner of an Oratorio“ an Silvester wieder in den Spielplan des Opernhaus Zürich aufgenommen und Robert Carsens Meisterinszenierung funktioniert immer noch perfekt, so als hätte sie erst gestern Premiere gehabt (und nicht 2007). Sylvie Döring hat mit dieser szenischen Einstudierung ganze Arbeit geleistet.

Regisseur Robert Carsen siedelt seine 1996 für das Festival von Aix-en-Provence entstandene Inszenierung in der Gegengenwart und dem Charakter und der Uraufführung des Stücks in Grossbritannien an. Das Stück entspricht weder den zeitgenössischen Konventionen für eine Oper (weltliches Sujet, italienische Sprache) noch denen für ein Oratorium (geistliches Sujet, englische Sprache) und wurde am 10. Februar 1744 im Royal Theatre in Covent Garden in London uraufgeführt.

Bühnen- und Kostümbildner Patrick Kinmonth hat Carsen ein hochästhetisches Bühnenbild geschaffen: ein klassizistisches Portal auf der linken Bühnenseite ist die einzige Installation und wenige Requisiten wie rote Läufer, Sessel oder Kleider-Schachteln und die meisterhafte Beleuchtung (Robert Carsen und Peter van Praet) genügen dem Regisseur dann um die Geschichte Semeles ganz eng am Libretto zu erzählen. Der Chor erfährt aus der Boulevard-Presse von Semeles Entführung, Juno sucht mit einem Stadtplan nach Somnus… Semele singt ihre grosse Arie „No, no, I’ll take no less, than all in full excess!“ auf einem riesigen Bett inmitten eines Chaos aus Kleider- und Hut-Schachteln.

Star des Abends war, wie nicht anders zu erwarten, Cecilia Bartoli als Semele. Sie singt die Rolle immer noch so, als habe sie sie frisch einstudiert und auch im sechsten Lebensjahrzehnt immer noch mit vollem körperlichem Einsatz und turnt wie ein Zwanzigjährige über das grosse Bett ohne aber je outriert zu wirken. Die Stimme sitzt perfekt, alle Farben sind da und das Feuerwerk der Koloraturen wird mit bisher unbekannter Intensität abgefeuert. Rollendebütant Frédéric Antoun als Jupiter/Apollo stand natürlich im Schatten seiner Partnerin, hat seine Aufgabe aber gut und rollendeckend gelöst. Katarina Bradic als Semeles Gegenspielerin Juno überrascht mit einem enorm umfang- und vor allem farbenreichen Mezzo-Sopran. Zusammen mit ihrer quirligen Begleiterin (die sympathische Rebeca Olvera als Iris) gelingt es ihr schliesslich die Nebenbuhlerin zu beseitigen. Christophe Dumaux als Athamas hatte bei so viel Frauenpower einen schweren Stand: ihm fehlte die Durchschlagskraft und entsprechend klein wirkte seine Stimme. Nahuel di Pierro lieh Cadmus/Somnus einen balsamisch strömenden Bass, Deniz Uzun verkörperte Ino. Ernst Raffelsberger hatte den Chor der Oper Zürich blendend vorbereitet.

William Christie dirigierte das Orchestra La Scintilla und führte es wieder zu einer Sternstunde. Das Orchester setzte sein äussert differenziertes Dirigat kongenial um und liess die langjährige Vertrautheit mit dem Dirigenten spüren. Claudius Herrmann (Violincello), Ruslan Lutsyuk (Kontrabass), Brian Feehan (Theorbe), William Christie (Cembalo) und Giorgio Paronuzzi (Cembalo und Orgel) waren das hervorragende Continuo.

Alles in allem war eine weitaus intensivere „Semele“ als in früheren Aufführungen zu erleben.

 

 Jan Krobot

 

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