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ZÜRICH/ Opernhaus: SEMELE von G.F. Händel als Stream (Aufführung aus 2007)

09.05.2021 | Oper international

Semele - Opernhaus Zürich (2018-2019) (Produktion - Zürich, schweiz) | Opera  Online - Die Website für Opernliebhaber
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 „SEMELE“ von Georg Friedrich Händel am 8.5.2021 im Opernhaus als Stream/ZÜRICH (Stream aus 2007)

Phönix aus der Asche

Die Befindlichkeiten des Liebespaares Semele und Jupiter werden in der subtilen Inszenierung von Robert Carsen (Ausstattung: Patrick Kinmonth) sehr deutlich nachgezeichnet. Der Göttervater hat sich eine Sterbliche als Geliebte ausgesucht. Semele wird für ihre Hybris bestraft, denn sie hat die Rechnung tatsächlich ohne Göttergemahlin Juno gemacht. Sie fällt Junos Intrige zum Opfer und muss an Jupiters eigenen Blitzen zugrunde gehen. Der Trauermarsch für Semele besticht aufgrund seiner ergreifenden theatralischen Wirkung. Die Thebaner trauern und Ino verkündet, dass sie auf Jupiters Befehl Athamas heiraten soll. Dieser willigt ein. Apollon erscheint und verkündet, dass Semeles Asche ein Phönix entstiegen ist, der dazu bestimmt ist, als Gott unter den Göttern zu wohnen. 

Dem Regisseur Robert Carsen gelingt hier eine bildmächtige Inszenierung mit fast schon satirischem Zuschnitt. Manche Szenen besitzen sogar ereignisreiche Situationskomik. Der Tempel der Juno wird in einen imaginären Saal mit vielen Stühlen verwandelt. Im Palast befindet sich ein überdimensionales Himmelbett, in dem Semele die Freuden mit ihrem Geliebten in reichem Maße erfährt. Und hier kommt es auch zu explosiven musikdramatischen Ausbrüchen. In der Höhle des Schlafes erscheinen die Menschen in eingehüllten blauen Tüchern. Juno verspricht Somnus die Hand der Pasithea, worauf er ihr seinen bleiernen Stab des Schlafes gibt. Sie ist in der Lage, die Drachen und Ino in Schlaf zu versetzen.  Die Anspielungen im Libretto von William Congreve zielen auf die damalige Mätressenwirtschaft am Hof.

Juno in der Gestaltung der Altistin Birgit Remmert verkörpert die Göttergattin hier als eine Frau, die sich über die amourösen Eskapaden ihres Mannes empört. Charles Workman  gestaltet Jupiter ausdrucksstark und ist als Gott zu tiefen menschlichen Gefühlen fähig. Das eigentliche Ereignis dieser Aufführung aber ist in jedem Fall Cecilia Bartoli  als Semele, die nicht nur bei der Spiegelbild-Arie „Myself I shall adore“ das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreisst. Expressive Züge werden hier in den Arien in minuziöser Weise ausgekostet. Große Intervallsprünge, rasende Läufe und unheimliche Triller erreichen einen fast schon fieberhaften Siedegrad. Verzierungen, Arabesken und Kaskaden zeichnen dabei in reichem Maße ihre Koloraturen aus. Lyrische Passagen steigern sich bei der suggestiven Wiedergabe mit dem Orchestra „La Scintilla“ des Opernhauses Zürich unter der Leitung von William Christie in bemerkenswerter Weise. Pathos und spielerische Leichtigkeit werden genüsslich ausgekostet. In weiteren Rollen überzeugen Liliana Nikiteanu als Ino, Anton Scharinger als Cadmus/Somnus, Thomas Michael Allen als Athamas und Isabel Rey als Iris. Einmal erscheint Semele sogar mit einer blauen Weltkugel. Parallelen zur britischen Gesellschaft werden mit „British Airways“-Flaggen verdeutlicht. Die Choreografie von Philippe Giraudeau zeigt immer wieder bemerkenswerte Facetten. Und auch die Choreinstudierung von Jürg Hämmerli und Ernst Raffelsberger lässt an packender vokaler Schlagkraft nichts zu wünschen übrig. Das Gefühl der großen menschlichen Natur, das dieses Werk in hervorragender Weise auszeichnet, kommt unter der Leitung von William Christie (der die Aufführung übrigens vom Cembalo aus leitet) in packender und elektrisierender Weise zum Ausdruck. Aufsteigende melodische  Linien und verblüffende Oktavsprünge werden mit wahrhaft zupackender Energie musiziert. Aber auch die schlichte Kantabilität mancher Gesangsnummern erreicht einen elegischen Beiklang. Der Zusammenklang von kontrastierender Dynamik und punktierten Rhythmen gelingt immer wieder facettenreich, wobei die Ironie der zierlich-zeremoniellen Themen nicht zu kurz kommt. Manche fugenartigen Details werden ebenfalls nuancenreich nachgezeichnet. Neben schöner klanglicher Fülle überrascht auch zuweilen der Charakter schwermütiger Meditation. Die harmonische Entwicklung ist in jedem Fall in minuziöser Weise nachvollziehbar.

Für die Mitwirkenden dieser bemerkenswerten Inszenierung gibt es hier langen und begeisterten Schlussapplaus. Das Ende wirkt wie eine gewaltige Krönungszeremonie.  

Alexander Walther

 

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