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ZÜRICH/ Opernhaus: Patrice Bart: GISELLE • Zürcher Neufassung (2015). Wiederaufnahme

16.12.2024 | Ballett/Performance

Patrice Bart: Giselle • Zürcher Neufassung (2015) • Opernhaus Zürich •

Wiederaufnahme: 07.12.2024, Vorstellungen vom 12.12.2024 und 15.12.2024

(Premiere am 28.03.2015)

Die Mutter aller Ballette

Die Wiederaufnahme der Zürcher Neufassung (2015) von «Giselle» gehört zu den Höhepunkte des Rückblicks auf die Intendanz Homoki. Da sich seit der Premiere sowohl Leitung wie Corps de Ballet beinahe komplett erneuert haben, ist Choreograph Patrice Bart aus Paris für die letzte Woche der Proben angereist.

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Foto © Carlos Quezada

«Giselle» gilt auch deshalb als Mutter aller Ballette, weil der Komponist Adolph Adam (1803-1856) sich an das übliche Nummernschema des mehraktigen Handlungsballetts haltend unüblich intensiven Gebrauch koloristischer, stimmungserzeugender Mittel machte und zur Charakterisierung der Figuren «Leitmotive» einsetzte. Angeregt durch Heinrich Heines (1797-1856) Bemerkungen zu den Elementargeistern im dritten Band von «Der Salon», verfasste Théophile Gautier (1811-1872), Wortführer der französischen Romantik, ein Szenario über die nächtlichen Geistergeschöpfe, die junge Männer in ihren Bann zu ziehen und zu Tode zu tanzen pflegen. Nachdem Gautier seinem Freund Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges (1799-1865) von seinem Szenar erzählt hatte, verfasste dieser innert kurzer Zeit ein entsprechendes Libretto. Da beide von Anfang an Carlotta Grisi als Idealbesetzung der Hauptrolle sahen, wandten sie sich an den Choreographen Jules Perrot (1810-1892), Protektor und Liebhaber der Grisi. Perrot involvierte den Komponisten Adolphe Adam, dem es gelang vom Direktor der Opéra, Leon Pillet (1803-1868), den Kompositionsauftrag zu erhalten. Offiziell einstudiert wurde «Giselle» vom Ballettmeister des Hauses, Jean Coralli (1779-1854). Letztlich war aber allen klar, dass Perrot alle Szenen mit Beteiligung der Grisi choreographierte. Perrot und Coralli führten das Publikum mit «Giselle» im Rahmen klassischen Nummernschema des mehraktigen Handlungsballetts sanft an einen neuen Tanzstil heran: Sind im ersten Akt Pantomime und Tanz bei dem Ideal kristallin klarer Formen und Brillanz noch klar getrennt, wir die Pantomime im zweiten Akt mit sanfteren, runderen, in gewissen Sinne auch ästhetischeren Bewegungen und dem Spitzentanz in die Formen des Tanzes einbezogen. Grisi verkörperte diesen neuen Stil in idealer Art und Weise. Sie wurde für die Natürlichkeit und intensive Dramatik ihrer Pantomime, besonders in der Wahnsinnsszene des 1. Akts gerühmt. Dieser Stil wurde für alle weiteren Handlungsballette des 19. Jahrhunderts konstitutiv

Ermanno Florio (Musikalische Leitung) ist für die perfekte Koordination zwischen Graben und Bühne besorgt. Die Philharmonia Zürich beweist einmal mehr ihre stupende Virtuosität und glänzt mit dem melodischen Charme in der Nachfolge des Belcanto wie der rhythmisch beschwingten Leichtfüssigkeit der Opéra comique, macht, kurz die besonderen Qualitäten Adams, die in vom Durchschnitt seiner Zeit weit abheben, klar.

Patrice Bart (Choreographie) Versuch mit der Zürcher Neufassung (2015) das romantische Ballett dem Publikum der Gegenwart zu erschliessen, ist rundum gelungen. Die im 19. Jahrhundert angesiedelte Inszenierung (Bühnenbild und Kostüme: Luisa Spinatelli; Lichtgestaltung: Martin Gebhardt) erzählt die Geschichte stringent unter Berücksichtigung des Wissens um die Uraufführung und spätere Recherchen zum Tanz dieser Zeit. So entsteht eine Bühnensprache, die auch für die Gegenwart klar verständlich ist.

Max Richter (07.12.2024) überzeugt als Giselle vor allem mit sein tänzerischen Fähigkeiten. Inna Bilash (15.12.2024) entwickelt im zweiten Akt bei der Verbindung von Pantomime und Tanz überragende Bühnenpräsenz. Brandon Lawrence (07.12.2024) gibt einen ausgesprochen eleganten Herzog Albrecht, Joel Woellner (15.12.2024) legt mehr Gewicht auf die machohafte Seite seiner Figur. Die Eifersucht von Karen Azatyan (07.12.2024) und Charles-Louis Yoshiyama (15.12.2024) in der Rolle des Hilarion gerät jeweils eher diskret. Elena Vostrotina (07.12.2024) und Francesca Dell’Aria (15.12.2024) nutzen ihren kurzen Auftritte zu intensiver Pantomime. Den Bauern-Pas-de-deux tanzen Nancy Osbaldeston und Wei Chen (07.12.2024) und McKhayla Pettingill und Chandler Dalton (15.12.2024). Aus dem Ballett Zürich und Junior Ballett ergänzen den Besetzungszettel (identische Besetzungen am 07. und 12.12.2024): Shelby Williams als Berthe, Marià Huguet als Wilfried, Lucas Valente als Herzog von Kurland, Mélanie Borel als Bathilde, Francesca Dell’Aria (07.12.2024) und Sujung Lim als Erste Wili (15.12.2024) und Inna Bilash (07.12.2024) und Max Richter als Zweite Wili (15.12.2024).

Der Statistenverein am Opernhaus Zürich stellt die Hofgesellschaft und Jäger.

Ein traumhafter Ballett-Abend!

Weitere Aufführungen:

Do. 19. Dez. 2024, 19.00; Fr. 31. Jan. 2025, 19.00; Sa. 01. Feb. 2025, 19.00; Di. 18. Feb. 2025, 19.00;

Di. 25. Feb. 2025, 19.00; Fr. 28. Feb. 2025, 20.00; So. 09. März 2025, 13.00.

 

17.12.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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