Neujahrskonzert • Opernhaus Zürich • Konzerte: 01.01.2022 und 02.01.2022
Eine Europareise als Neujahrskonzert
Nachdem lange Jahre am Neujahrstag Volksvorstellungen üblich waren, hat das Opernhaus Zürich nun die Institution des Neujahrskonzerts aufgegriffen. Vor der Pause brillierte die Philharmonia Zürich unter ihrem GMD Gianandrea Noseda, der sein Amt im Sommer angetreten hat, und nach der Pause begeisterte der Ausnahmekünstler Juan Diego Flórez das erfreulich zahlreich erschienene Publikum.
Foto © Daniel auf der Mauer
Der Wagemut das Konzert mit der Ouvertüre zur Operette «Die Fledermaus» von Johann Strauss (1825-1899) zu beginnen, wo doch gerade am 1. Januar noch viele das Stück vom morgendlichen Wiener Neujahrskonzert «im Gehör haben». Wunderbar weiche Holzbläser, prägnante Streicher und das (wie immer) spannungsgeladene Dirigat von Maestro Noseda vereinten sich zu einer Interpretation, die gegen die Klänge des Morgens zu bestehen wusste. Mit der «Nussknacker-Suite» von Pjotr Tschaikowski (1840-1893) konnten die verschiedenen Register ihr Können ausgiebig demonstrieren. In den Ungarischen Tänzen Nr. 17 (fis-moll) und Nr. 21 (e-Moll) von Johannes Brahms (1833-1897) waren die Klänge Ungarns (oder besser vielleicht besser das, was des Konzertbesuchers Ohren dafür halten) wunderbar herausgearbeitet und genauso die Klänge Böhmens im Slawischen Tanz op. 46 Nr. 3 (As-Dur) Antonín Dvořáks (1841-1904). Die Philharmonia liess hören, wie sie unter dem neuen Chefdirigenten aufgeblüht ist und Noseda zeigte, wie gut er ein Repertoire beherrscht, das weit über «die Italiener» hinausgeht: die Chemie zwischen Orchester und Dirigent stimmt hör- und sichtbar und so dürfte das Engagement Nosedas die wichtigste Tat der Intendanz Homoki sein.
Juan Diego Florez. Foto © Gregor Hohenberg
Der erste Block von Flórez Auftritt war Franz Lehár (1870-1948) gewidmet: In «Dein ist mein ganzes Herz», dem Lied des Sou-Chong aus «Das Land des Lächelns», «Gern hab’ ich die Frau’n geküsst», dem Lied des Paganini aus «Paganini» und «Freunde, das Leben ist lebenswert», dem Lied des Octavio aus «Giuditta» zeigte Flórez eine Textverständlichkeit, die so mancher Muttersprachler nicht erreicht, und liess hören, dass seine Stimme sich immer noch in tadelloser, absolut beneidenswerter Form befindet. In beiden Konzerten neigten die Philharmonia und Noseda leider dazu Flórez gnadenlos zuzudecken. Der zweite Block war Georges Bizet (1838-1875) und Jules Massenet (1842-1912). Nach dem sehr rasch dargebotenen Vorspiel aus «Carmen» sang Flórez «La fleur que tu m’avais jetée», die Arie des Don José aus «Carmen» und «Pourquoi me réveiller», die Arie des Werther aus «Werther». Hier war zu hören, wie wunderbar weich Flórez Stimme ist und welchen Schmelz sie haben kann. Die Textverständlichkeit war wieder perfekt. Der dritte Block galt Giacomo Puccini (1858-1924): nach dem stimmig vorgetragenen Intermezzo aus der Oper «Manon Lescaut» endete das reguläre Programm mit «Che gelida manina», der Arie des Rodolfo aus «La bohème».
Flórez, der sich mit der Begleitung durch die Philharmonia und dem Dirigat Nosedas ausgesprochen wohlzufühlen schien, belohnte das Publikum mit fünf Zugaben: zu «Core n’grato», «Auld Lang Syne» «Guantanamera» und «Cucurrucucú paloma» begleitete er sich selbst auf der Gitarre. Hier war er nun ganz bei sich selbst, die wunderbare Stimme konnte frei strömen. Purer Genuss, pures Glück! Mit «Nessun dorma» aus Puccinis «Turandot» endeten die wunderbaren Konzerte.
Man kann nur jedes Mal von Neuem dankbar sein, einen solchen Ausnahme‐Künstler wie Juan Diego Flórez erleben zu dürfen!
02.01.2022, Jan Krobot/Zürich