Giuseppe Verdi: Nabucco, Opernhaus Zürich, Gala-Vorstellung: 13.10.2019
(5. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 24.09.2019)
Er kam, sang und begeisterte das Publikum
Für die letzte Aufführung der aktuellen Nabucco-Serie am Opernhaus Zürich ist die Sänger-Legende Placido Domingo als Nabucco verpflichtet worden. Domingo scheint den Auftritt nach all den wenig positiven Vorkommnissen schlicht zu geniessen und integriert sich, so war zu hören nach einem Vorstellungsbesuch und einer Probe, bestens in die Inszenierung. Hier schlägt eindeutig die lange Erfahrung seiner einmaligen Karriere durch. Stimmlich vermag er das Versprechen «Gala» leider nicht einzulösen. Die von Anfang an schwache Stimme wird im Verlauf des Abends immer brüchiger, die Diktion immer undeutlicher. Die physischen Reserven lassen ihn eindeutig im Stich. Das «Deh, perdona» ist kaum mehr zu erkennen, die Souffleuse ergänzt das Duett zum Terzett. Bei »O prodi miei» stellt sich dann die Frage, welchen Krieger das motivieren soll. Wenn der Zwischenapplaus fehlt… Schade, eine Legende so erleben zu müssen. Das Publikum war (am Schluss) begeistert, der Kritiker nicht.
Nabuccos Gegenspieler ist mit Vitalij Kowaljow besetzt und er vermag rundum zu überzeugen. Mit grosser, aber nie dröhnender Stimme, füllt er das Haus bis in den letzten Winkel und mit seinem Stilbewusstsein macht er seine Auftritte zu den Perlen des Abends.
Oksana Dyka als Abigaille kann sich mit der Akustik des Hauses offenbar auch in der vierten Vorstellung nicht anfreunden. Mit in der Höhe und im Forte grell-scharfer Stimme vermag sie nicht zu überzeugen.
Veronica Simeoni, verlässliche Kraft für Mezzo-Partien im italienischen Fach, kann mit den grossen Stimmen ihrer Partner akustisch mithalten, bleibt in der Darstellung aber blass.
Die Überraschung des Abends ist Otar Jorjikia als Ismaele. Er lässt einen stilistisch und technisch hervorragend geschulten Tenor hören, den man sich in dieser Fassung durchaus in passenden Hauptrollen vorstellen könnte.
Das Ensemble ergänzen verlässlich Stanislav Vorobyov als Der Oberpriester des Baal, Leonardo Sánchez als Abdallo und Ania Jeruc als Anna.
An diesem Abend grandios spielt die Philharmonia Zürich unter Leitung von Fabio Luisi. Stilistisch hart an der Grenze zum Knalligen, bleiben sonst keine Wünsche offen.
Die Chöre (Chor der Oper Zürich, Chorzuzüger und Zusatzchor des Opernhauses Zürich) hat Janko Kastelic bestens präpariert.
Foto: Monika Rittershaus
Die Inszenierung von Andreas Homoki, letzte Neuproduktion der vergangenen Saison funktioniert immer noch im Sinne ihres Schöpfers. Homoki sieht die Oper als die Geschichte der Familie Nabuccos, die am Ablösungsprozess des Alten („polytheistisches System der Babylonier“) durch das Neue („monotheistische Weltanschauung der Hebräer“) zerbricht. Zusammen mit dem Bühnen- und Kostümbildner Wolfgang Gussmann entschied er die Inszenierung in der Entstehungszeit der Oper anzusiedeln und auf der Bühne den Konflikt zwischen restaurierender Aristokratie und fortschrittlichem Bürgertum Parabel über den Fortschritt zu zeigen. Ob das auch im Sinne des Werkes ist, sei dahingestellt.
Er kam, sang und begeisterte das Publikum.
Keine weiteren Aufführungen.
13.10.2019, Jan Krobot/Zürich