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ZÜRICH/ Opernhaus: NABUCCO – 4. Vorstellung nach der Premiere

Wimmelbucco

03.07.2019 | Oper

Giuseppe Verdi: Nabucco, Opernhaus Zürich, Vorstellung: 02.07.2019

 (4. Vorstellung seit der Premiere am 23.06.2019)

Wimmelbucco

Konzertanten Opernaufführungen fehlt, wie oft kritisiert, das Szenische als die Gattung konstituierendes Element. Umgekehrt gibt es, in aller Regel seltener,  Opernaufführungen, bei denen das Fehlen des szenischen Elements zu verschmerzen oder gar zu begrüssen wäre.

Bildergebnis für zürich nabucco
Foto: Monika Rittershaus

In seiner Zürcher Inszenierung sieht Intendant und Regisseur Andreas Homoki die Oper als die Geschichte der Familie Nabuccos, die am Ablösungsprozess des Alten („polytheistisches System der Babylonier“) durch das Neue („monotheistische Weltanschauung der Hebräer“) zerbricht. Zusammen mit dem Bühnen- und Kostümbildner Wolfgang Gussmann entschied Homoki die Inszenierung in der Entstehungszeit der Oper anzusiedeln und auf der Bühne den Konflikt zwischen restaurierender Aristokratie und fortschrittlichem Bürgertum Parabel über den Fortschritt zu zeigen.

Dazu hat Gussmann Homoki eine Wand aus grünem Stein auf die mit schwarzen Vorhängen in Hufeisenform gebrachte Bühne gestellt, die sich um die eigene Achse drehen und nach vorne und hinten verschieben kann. So kann der Bühnenraum verengt und das Gewimmel der Choristen verstärkt werden. Den Babyloniern ist die Farbe Grün zugeordnet, die Hebräer tragen Braun und Beige. Einziges weiteres Element ist eine schlichte Krone, die aussieht, als sei sie vom letzten Discounter-Dreikönigskuchen (https://de.wikipedia.org/wiki/Dreik%C3%B6nigskuchen) übrig geblieben.

Um den Ansatz der Familiengeschichte plausibel zu machen, hat Homoki die Ouvertüre inszeniert und zeigt in zwei kurzen Sequenzen einmal die Familie Nabuccos und den Tod der Mutter und dann zwei kleine Mädchen, die sich um die Krone streiten. Die Mädchen tauchen später im Verlauf der Oper wieder auf. Ob es dann Visionen Nabuccos oder seine Enkelinnen sind, erschliesst sich nicht.

Bildergebnis für zürich nabucco
Foto: Monika Rittershaus

Ob im konkreten Fall das Fehlen des szenischen Elements nur zu verschmerzen oder zu begrüssen wäre, möge jeder Leser für sich selbst entscheiden.

Jede Medaille hat zwei Seiten, und so ist das Vorhandensein der Szene im Sinne einer „Ablenkung“ vom Musikalischen auch positiv zu werten. Fabio Luisi, der sichtbar unter der sommerlichen Wärme zu leiden schien, dirigierte die Philharmonia Zürich etwas weniger laut als gewohnt. Etwas weniger laut ist aber immer noch deutlich zu laut und hier auch zu knallig. Immerhin, es gelangen einzelne Piano-Stellen und die Sänger wurden nicht konsequent zugedeckt.

Die Produktion ist musikalisch, sowohl seitens der Philharmonia (trotz tadelloser Einzelleistungen), der Chöre (Chor der Oper Zürich, Chorzuzüger und Zusatzchor des Opernhauses Zürich vorbereitet von Janko Kastelic) wie der Solisten durch eine Interpretation geprägt, die dem Verismo wesentlich näher ist als Verdis Kompositionsstil zur Zeit der Uraufführung des Nabucco (9. März 1842).

Der Zürcher Publikumsliebling Michael Volle ist als ehemaliges Ensemblemitglied „Zugpferd“ der Produktion. Er muss sich, wie die anderen Solisten auch, akustisch durchsetzen, was ihm an diesem Abend zum Schluss der Oper hin Probleme bereitete. Textverständlichkeit war nicht immer gegeben und unschöne, vokale Verfärbungen traten immer wieder auf. Von der Regie als alter Mann, dem die Macht entgleitet, gab Volle gegen Ende ein Bild ab, das der Rolle nicht gerecht wird. Benjamin Bernheim hatte mit seinem kräftigen Tenor keine Probleme und die Rolle des eindimensionalen Liebhabers kommt ihm da natürlich entgegen. Georg Zeppenfeld als Zaccaria enttäuschte leider auf ganzer Linie. Eine derart seelenlose Interpretation dürfte selten zu erleben sein. Wie bei einem Roboter wurden eingeübte Noten, Gesten und Bewegungen abgespult, aber Emotionen, Wärme, Stimmfarben? Fehlanzeige. Zeppenfeld besitzt eine schöne Bassstimme und gute Technik, aber an diesem Abend wusste er nichts damit anzufangen. Anna Smirnova, die die Abigaille von Catherine Naglestad übernommen hat (Absage aus familiären Gründen), liess deutlich vernehmen, dass sie in Russland ausgebildet wurde und das Zürcher Haus (und vermutlich auch weitaus grössere) problemlos füllen kann. Ihre Interpretation war leider geprägt von scharfen, spitzen, angeschliffenen und verschmierten Tönen. Laut muss nicht immer gut sein. Veronica Simeoni als Fenena fiel nicht weiter auf. Stanislav Vorobyov (Der Oberpriester des Baal), Omer Kobiljak (Abdallo) und Ania Jeruc (Anna) ergänzen das Ensemble.

Zwischenapplaus gab es, wenn, sehr enden wollend. Mit Wehmut erinnert man sich an die Qualitäten der vergangenen Produktion.

Weitere Aufführungen:

2018/2019: 05., 09. und 12.07.2019.

2019/2020: 24. und 27.09.2019, 03., 10. und 13.10.2019 (13.10.: Plácido Domingo als Nabucco).

 

03.07.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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