Diana Damrau, Serena Farnocchia. Copyright: Monika Rittershaus
Zürich: MARIA STUARDA – Aufführung vom 12.5.2018
Diana Damrau auf einsamer Höhe!
Die Neu-Inszenierung von David Alden (Premiere am 8.4.2018) hatte einige Kritik geerntet – zu Recht, wie ich bei dieser, der letzten Vorstellung der Aufführungsserie feststellen musste. Dabei fängt alles gut an: zur Ouvertüre – wieder eine „bespielte“ Ouvertüre! – umkreisen sich die beiden Königinnen. In der Mitte befindet sich auf einem Rokoko-Sessel das Objekt der Begierde, nämlich die Krone Englands. Dann jedoch stört der Stilmix in Bühnenbild und Kostümen (Gideon Davey) und die beispielsweise bei seinen legendären Händel-Inszenierungen in München oftmals angewandte Brechung durch Ironie greift hier nicht so recht. Mitunter werden auch Effekte aus dem Grusel-Kabinett herangezogen, die kaum mehr als ein Achselzucken hervorrufen können. Ob beabsichtigt oder nicht, in dieser Inszenierung wird bedeutend geschritten und in der Konfrontation zwischen den Königinnen wird auch nichts ausgelassen, weder Händeringen noch Knien und Handgreiflichkeiten, sodass gerade diese genial komponierte Szene fast zu einer Parodie verkommt. Das hereingerollte Stück Natur, wo Maria Stuarda künstliche Blumen pflückt, verursachte doch ein amüsiertes Schmunzeln. Beabsichtigt oder nicht beabsichtigt?
Dass Alden auch anders kann, beweist er in der wunderbar schlicht inszenierten Beicht-Szene Talbot/Stuart und in der bewegenden Schluss-Szene. Dass es gerade diese beiden Szenen sind, in denen Diana Damrau ihre Gipfelhöhen im ausdrucksvollen und innigen Belcanto erreichte, ist bezeichnend. Vor der Pause war sie gesanglich eher zurückhaltend, sparte mit eingelegten Spitzentönen, gab eher konventionell darstellerisch die stolze, ungebrochene Königin. Umso mehr überzeugte sie dann nach der Pause in der lyrischen Tongebung, ihrer beachtlichen Gesangstechnik, die bei ihr zum beseelten Gesangsausdruck wird, und einer berührenden Gestik und Körpersprache. Wenn man etwas beckmessern will, so könnte man sich einen üppigeren Klangreichtum in der Mittellage wünschen.
Ihre Gegenspielerin Elisabeth I. war bei Serena Farnocchia, die wir als Alice im Falstaff in bester Erinnerung haben, offenbar vom Regie-Konzept als „Schreckschraube“ angelegt. Dabei sind doch gerade in dieser Figur viel mehr Facetten angelegt, als hier zum Ausdruck kamen. Gesanglich meisterte die Sängerin die Partie in bewundernswerter Weise, wenn auch einige Schärfen nicht zu überhören waren.
Als unglücklicher Liebhaber zwischen den Königinnen machte Pavol Breslik eine gute Figur. Mit seinem im lyrischen Grund-Timbre verankerten Tenor konnte er auch die dramatischen Ausbrüche gut meistern. Breslik ist kein Blender, sondern ein seriöser Künstler, der sich zu keinen Banalitäten in Stimme und Spiel hinreissen lassen würde.
Diana Damrau, Andrzej Filonczyk. Copyright: Monika Rittershaus
Höchst erfreulich war die erste Begegnung hier am Opernhaus mit Nicolas Testé, der einen wohlklingenden Bariton sei eigen nennt. Die Beicht-Szene mit Diana Damrau wurde auch zu einem der Höhepunkte des Abends! – Als Cecil schreitet Andrzej Filonczyk mit schiefem Lächeln und dem Hackebeil umher. Der Sänger überzeugt durch eine beachtliche gesangliche Leistung; und man würde ihm gerne wieder zuhören. Als Anna war die junge Hamida Kristoffersen mit ihrer schönen Mezzostimme zu hören. Von der Regie war sie dazu verurteilt worden, eine Art Landstreicherin zu mimen, was ich mir nicht zu erklären wusste.
Der Chor des Opernhauses (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) sang hervorragend und die Philharmonia legte sich unter dem animierten und nur manchmal etwas zu lauten Dirigat von Enrique Mazzola mächtig in Zeug. Und einmal mehr stellt man fest, welche genialer Opern-Komponist Gaetano Donizetti war, der dieses Werk mit achtunddreissig Jahren 1835 an der Mailänder Scala zur umjubelten Uraufführung brachte.
John H. Mueller