Jules Massenet: Manon • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 27.09.2025
(2. Vorstellung • Wiederaufnahme: 24.09.2025 • Premiere am 07.04.2019)
Geht es so weiter, sind die goldenen Jahre am Opernhaus Zürich zurück
Floris Vissers Zürcher Inszenierung von Massenets «Manon» gehört zu jenen Arbeiten, die je häufiger gesehen, umso stärker faszinieren. Die Inszenierung überzeugt mit vielfältigen Qualitäten.

Foto © Herwig Prammer
Eine der grossen Qualitäten der Regiearbeit ist die geschickte Raumnutzung. Floris Visser zeigt «Manon» als «filmisch inspiriertes» Theater im Theater (Ausstattung: Dieuweke van Reij): Statt eines «klassischen» Vorhangs verwendet Visser für die beiden Teile der Aufführung einen Kameraverschluss. Die auf der Bühne aufgebaute Guckkastenbühne ist mit einfach fahrbaren Trennwänden in Vordergrund und Hintergrund geteilt. So kann Visser zum Beispiel während der «Prelude» die «feine Gesellschaft» beobachten lassen, wie Manon (die Tänzerin der Manon) als Mädchen vor einem Spiegel ihr Kleid richtet. Im Bild des Konvents von Saint Sulpice kann so im Hintergrund er Gottesdienst, und vor allem der Wechsel vom Madonnen-Altarbild zu Manon und zurück, ablaufen, während im Vordergrund genügend Raum für die Begegnung der Solisten. Die Raumaufteilung unterstützt auch Vissers hervorragende Personenführung, da intime Szenen, «Illustrationen» wie im «Prelude» und Massenszenen gleichermassen prägnant gelingen. Die Lichtgestaltung von Alex Brok unterstützt die eindrücklichen Bilder wie zum Beispiel vor der Poststation von Amiens der Gegensatz von de Morfontaine, de Brétigny, Pousette, Javotte und Rosette und der «Meute der guten Bürgersleute» die mit dezentem Voyeurismus die Ankunft der Reisenden beobachtet oder das Ballett (Choreografie: Pim Veulings) auf der Promenade Le Cours-la-Reine. Wenn sich im letzten Akt zur Manons Phrase «Et c’est là l’histoire … de Manon Lescaut» die Bühne auch zur Seite öffnet, die Guckkastenbühne, vom Spiegel-Scherben haltenden Ensemble beobachtet, zerfällt, wir eindrücklich klar, dass alles «nur» Theater war.
Auch musikalisch gelingt der Abend überragend. Sesto Quatrini (Musikalische Leitung) hat die Zügel fest im Griff: Das Orchester der Oper Zürich musiziert pointiert mit traumhaftem, farbenreichen, reinem Wohlklang und legt die Basis, auf der die Solisten triumphieren können. Der Chor der Oper Zürich (Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger) überzeugt mit engagiertem szenischem Spiel wie sattem Ton auf ganzer Linie.
Lisette Oropesa triumphiert an diesem Abend als Manon Lescaut. Die jugendlich strahlende Stimme sitzt perfekt, spricht in allen Lagen perfekt an und hat das «gewisse Etwas». Mit perfekt fokussiertem, traumhaft sicherem, auf Anhieb erkennbarem Tenor gibt Benjamin Bernheim den Chevalier des Grieux auf Augenhöhe. Yannick Debus gibt den Lescaut mit strahlendem, perfekt geführtem Bariton und überzeugt szenisch als gar nicht so «braver» Cousin und musikalisch mit tadelloser Technik. Man freut sich, ihn wiederzuhören. Nicolas Testé überzeugt mit klarem, kernigem Bass als sympathisch autoritärer Comte des Grieux. Daniel Norman als Guillot de Morfontaine und Andrew Moore als De Brétigny begeistern genau austarierte szenischer wie musikalischer Präsenz. Yewon Han als Poussette, Rebeca Olvera als Javotte und Karima El Demerdasch als Rosette vervollständigen das beeindruckende Quintett der lebensfreudigen Pariser. Valeriy Murga überzeugt als L’Hôtelier, Henri Bernard als Le Portier du Séminaire / Un Sergent, Caroline Fuss als La Servante, Tomislav Jukic als Premier Joueur, Juan Etchepareborda als Deuxième Joueur und Samuel Wallace als Un archer komplettieren das Weltklasse-Ensemble.
Geht es so weiter, sind die goldenen Jahre am Opernhaus Zürich zurück!
Weitere Aufführungen: Fr. 03. Okt. 2025, 19.30; Di. 07. Okt. 2025, 19.00; Fr. 10. Okt. 2025, 19.30.
28.09.2025, Jan Krobot/Zürich

