Jules Massenet: Manon • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 07.10.2025
(4. Vorstellung • Wiederaufnahme: 24.09.2025 • Premiere am 07.04.2019)
Eine weitere Sternstunde französischer Oper
Floris Vissers Zürcher Inszenierung von Massenets «Manon» gehört zu jenen Arbeiten, die je häufiger
gesehen, umso stärker faszinieren. Die Inszenierung überzeugt mit vielfältigen Qualitäten.

Foto © Herwig Prammer
Eine weitere der grossen Qualitäten von Floris Vissers Regiearbeit ist die überzeugende Personenführung. So zeigt er zum Beispiel im ersten Akt, beim ersten Auftritt Manons, dass Lescaut beileibe nicht nur der brave Cousin ist, der Manon pflichtbewusst ins Kloster bringt, sondern durchaus auch Mann, der deutlich, aber diskret und ohne zu provozieren, an Manon als Unschuld interessiert ist. Und von Manon weiss der Zuschauer, Visser zeigt, wie sie als junges Mädchen von Schmuck und schönem Kleid fasziniert vor einem Spiegel posiert, dass sie seit Kindesbeinen einen Bezug zum Luxus hat (Ausstattung: Dieuweke van Reij). Als Lescaut sie kurz an der Poststation warten lässt, versucht Manon vom Luxus Abschied zu nehmen («Voyons, Manon, plus de chimères!»). Dazu versucht sie sich mit dem Brautkleid (die Klosterschwester als Braut Christi) aus ihrem Köfferchen zu motivieren, dass sie anzieht und dabei vom Auftritt Des Grieux überrascht wird. Die Bühne ist nun fast leer, De Morfontaine, De Brétigny, Poussette, Javotte und Rosette haben ihr Mahl in der der Poststation angegliederten Wirtschaft beendet, und so vollzieht das Kennenlernen von Manon und Des Grieux, zwei Personen im emotionalen Ausnahmezustand, auf und um eine Bank im Wartesaal der Poststation. Die Solisten wissen die ideale Basis für einen ersten Höhepunkt des Abends zu nutzen.
Lisette Oropesa (Manon Lescaut) startet mit grosszügigem Vibrato in den Abend, findet dann aber rasch zur gewohnten superben Form. Der helle, klare Sopran strömt wunderbar frei und ermöglicht es ihr die Emotionen berührend intensiv über die Rampe zu bringen. Benjamin Bernheim gibt einen traumhaften Chevalier des Grieux. Sein perfekt fokussierter Tenor strahlt und funkelt wie ein Diamant und seine souveräne Technik lässt ihn die Emotion rundum glaubwürdig dazustellen, geradezu zu leben. Yannick Debus beeindruckt mit kraftvoll frei strömendem Bariton als Lescaut von grosser Bühnenpräsenz. Nicolas Testé gibt den Comte des Grieux mit kernig-würdevollem Bass-Bariton. Daniel Norman als Guillot de Morfontaine und Andrew Moore als De Brétigny überzeugen mit tadellosem Gesang und glaubwürdigem Spiel. Yewon Han als Poussette, Rebeca Olvera als Javotte und Karima El Demerdasch als Rosette vervollständigen das beeindruckende Quintett der lebensfreudigen Pariser. Valeriy Murga überzeugt als L’Hôtelier, Henri Bernard als Le Portier du Séminaire / Un Sergent, Caroline Fuss als La Servante, Tomislav Jukic als Premier Joueur, Juan Etchepareborda als Deuxième Joueur und Samuel Wallace als Un archer komplettieren das Weltklasse-Ensemble. Der Chor der Oper Zürich (Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger) überzeugt mit engagiertem szenischem Spiel und Klangschönheit.
Der Graben trägt seinen Teil zur Sternstunde bei. Sesto Quatrini (Musikalische Leitung) hat die Zügel, vor allem auch die Lautstärke, fest im Griff. Quatrini wandelt als Sängerbegleiter auf den Spuren Marco Armiliatos: Das Orchester der Oper Zürich musiziert pointiert mit traumhaftem, farbenreichen, reinem Wohlklang und legt die Basis, auf der die Solisten triumphieren können.
Eine weitere Sternstunde französischer Oper am Opernhaus Zürich.
Weitere Aufführung: Fr. 10. Okt. 2025, 19.30.
08.10.2025, Jan Krobot/Zürich

