Giacomo Puccini: Manon Lescaut • Opernhaus Zürich • Premiere: 09.02.2025
Fünf Kutschen und reichlich Austern mit Wodka hinuntergespült
Barrie Kosky bringt Puccinis «Manon Lescaut» als Ausstattungsoper auf die Bühne des Opernbaus Zürich. Dem eigenen Vorsatz gängigen Klischees aus dem Weg zugehen wird er dabei nur bedingt gerecht.
Foto © Toni Suter
Barrie Kosky (Inszenierung) bringt Puccinis «Manon Lescaut» als Ausstattungsoper auf die Bühne des Opernhaus Zürich. Dem eigenen Vorsatz gängigen Klischees aus dem Weg zu gehen, wird er dabei nur bedingt gerecht, denn letztlich überzeichnet er diese nur. Die Personenführung vermag im Einheitsbühnenbild einer Sichtbeton-Theaterbühne mit grossem Stahltor nur bedingt zu überzeugen. Zumal sich das «Theater im Theater» in letzter Zeit inflationärer Beliebtheit erfreut. Rufus Didwiszus (Bühnenbild) frönt einem Faible für Kutschen, ganze fünf Stück tauchen im Verlauf der Oper auf. Wenn sich aber nun der als Grotesken-Orchester maskierte Chor (Kostüme: Klaus Bruns) um die Postkutsche in Amiens schart, Manon im jaguargrünen Zweispänner nach Paris entflieht, dort ihr Luxusleben in einem Abbild der britischen Krönungskutsche führt, die Gefangenen in Le Havre im Gitterwagen herbeigeführt werden und die beiden Liebenden in der Wüste ein ausgebranntes Gefährt mitschleppen, ruft das unweigerlich die klassischen Klischees wach. Ein grosses Kompliment an die Werkstätten für den Bau der Gefährte und Jan Vágner für die Gestaltung der Pferde. Wo in der Vergangenheit selbst Hunde auf dem Besetzungszettel erwähnt wurden, hätten es die «Darsteller» der Pferde allemal verdient erwähnt zu werden.
Marco Armiliato erweist sich einmal mehr als begnadeter Sänger-Dirigent und trägt die Solisten wie gewohnt auf Händen durch den Abend. Die Philharmonia Zürich folgt ihm höchst aufmerksam und schwelgt mit grossem Farbenreichtum und perfektem Rhythmus in Puccinis Klangwelten. Der Chor der Oper Zürich (Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger) glänzt nicht nur als grotesk maskiertes Orchester.
Elena Stikhina gibt mit perfekt geführtem, dramatischem, voluminösem Sopran die Manon Lescaut. Sie stellt wunderbar dar, aber ob sie das auch fühlt, scheint immer wieder zweifelhaft. Konstantin Shushakov kann an diesem Abend als Lescaut (Rollendebüt) nicht reüssieren, da die Stimme, trotz tadellosem Fundament und Fokussierung, im Kontext dieser Besetzung einfach zu klein erscheint. Darstellerisch bleiben gerade was die Ambivalenz der Rolle angeht keine Wünsche offen. Warum Schwester und Bruder in Paris Austern herunterschlingen und mit reichlich Wodka nachspülen, wird nicht klar (es sei denn Lescaut sollte ein Inzest unterstellt werden). Saimir Pirgu debütiert mit strahlendem Tenor und viel Schmelz als Il cavaliere Des Grieux. Im Laufe der ersten zwei Akte lässt der Druck auf die Stimme nach und das Organ kann dann frei strömen. Shavleg Armasi (Debüt am Opernhaus Zürich) gibt den Geronte di Ravoir mit herrlich kernigem, wunderbar flexiblem Bass. Daniel Norman glänzt in der Rolle des Edmondo. Valeriy Murga als L’oste, Siena Licht Miller als Un musico, Álvaro Diana Sanchez als Il maestro di ballo, Tomislav Jukic als Ninetta und Samson Setu als Un comandante ergänzen das formidable Ensemble.
Die Produktion hat das Potential sich noch zu entwickeln.
Weitere Aufführungen:
Do. 13. Feb. 2025, 19.30; So. 16. Feb. 2025, 19.30; Mi. 19. Feb. 2025, 19.00; So. 23. Feb. 2025, 19.30; Sa. 01. März 2025, 20.00; Do. 06. März 2025, 19.00; Do. 13. März 2025, 19.30; So. 16. März 2025, 20.00; Sa. 22. März 2025, 19.00.
10.02.2025, Jan Krobot/Zürich