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ZÜRICH/ Opernhaus: L’ITALIANA IN ALGERI. Zu den beiden Türkenopern Rossinis

14.03.2022 | Oper international

Gioacchino Rossini: L’italiana in Algeri • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 13.03.2022

(4. Vorstellung • Premiere am 06.03.2021)

Zu den beiden Türkenopern Rossinis

Das am 22. Mai 1813 im Teatro San Benedetto uraufgeführte dramma giocoso per musica «L’italiana in Algeri» und das am 14. August 1814 im Teatro alla Scala in Mailand uraufgeführte dramma buffo «Il turco in Italia» sind, auch wenn die Titel das nicht unbedingt vermuten lassen, die beiden Türkenopern Rossinis. Zwischen den beiden Werken entstand nur «Aureliano in Palmira» zur Eröffnung der Karnevals-Stagione 1814 an der Mailänder Scala.

Das Libretto zu «L’italiana in Algeri» stammt von Angelo Anelli (1761-1820), jenes zu «Il turco in Italia» als frühes Werk von Felice Romani (1788-1865). Felice Romani ist eine Generation jünger als Anelli und der wichtigste Librettist der italienischen Oper in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er schrieb sieben der zehn von Vincenzo Bellini vertonten Libretti, die Libretti zu Erfolgswerke wie «Anna Bolena» oder «L’elisir d’amore» von Gaetano Donizetti und heute weniger bekannten Komponisten wie Saverio Mercadante oder dem noch immer massiv unterschätzten Giovanni Simone Mayr. Für Giuseppe Verdi verfasste Romani das Libretto zu «Un giorno di regno». Beide Libretti sind Bearbeitungen bereits bestehender und vertonter Libretti. Romanis Bearbeitung von Caterino Tommaso Mazzolàs «Il turco in Italia» ist mit der Hinzufügung der Figur des Dichters Prosdocimo deutlich tiefgreifender als jene Angelo Anellis, der sein eigenes, 1808 von Luigi Mosca vertonte Libretto für den Schwan von Pesaro adaptierte (für die Komposition von Rossinis Italiana blieb nur wenig Zeit, da sie eine ausbleibende Oper Carlo Coccias ersetzen sollte).

Inhaltlich gesehen ist der von der zeitgenössischen Kritik als Remake der «L’italiana in Algeri» wahrgenommene «Il turco in Italia» eine Umkehrung derselben: während dort eine Italienerin nach Nordafrika versetzt wird, wird hier ein Türke nach Europa gebracht (zu beachten ist, dass der Begriff «Türke» hier gleichermassen für das Osmanische Reich wie Anwohner des Mittelmeers in Nordafrika verwendet wird). Schürft man tiefer, so stellt man fest, dass sich beide Opern um die Faszination des Exotischen (Orientalischen) drehen, um die Pracht des Exotischen und den exotischen Mann und seinen Umgang mit der Frau. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass in «Il turco in Italia» die Figur des Dichters, der ausserhalb der eigentlichen Handlung steht und so eine Distanzierung und inhaltliche Brechung ermöglicht, zum Movens der Handlung wird. Die Komödie wird zum Sujet der Komödie. Zudem sind die Figuren deutlich differenzierter gezeichnet  als dies in «L’italiana in Algeri» der Fall ist. Dies ist einer der Gründe, warum «Il turco in Italia» kein Erfolg war: die Oper war für ihre Zeit zu modern.

Betrachtet man die musikalische Erscheinung, so sind ebenfalls deutliche Unterschiede festzustellen. «L’italiana in Algeri», die rasch entstehen musste, folgt ganz der Konvention und muss auf Grund ihrer Geschlossenheit als genialer Wurf und Meisterwerk Rossinis gelten. Bei «Il turco in Italia» sind entgegen der zeitgenössischen Konvention die Zahl der Arien eingeschränkt und zusätzliche Ensembles hinzugefügt, wodurch sich grössere Handlungsblocks ergeben und sich die Oper weiter vom «klassischen» Schema entfernt.

Mit «Il turco in Italia» gelingt Rossini eine für ihre Zeit hochmoderne Oper. Die Oper wird kein Erfolg, weil sie für ihre Zeit viel zu modern ist und nur von wenigen verstanden wird.

L'italiana in Algeri - Oper - Opernhaus Zürich

 

Foto © Monika Rittershaus

Cecilia Bartoli ist auch an diesem Abend der unbestrittene Mittelpunkt auf der Bühne und das nicht nur, weil die Inszenierung ihrer Lieblings-Regisseure natürlich auf sie zugeschnitten ist. Ihre grossen Szenen, «Cruda sorte» im ersten Akt und «Per lui che adoro» im zweiten Akt, aber auch «Pensa alla Patria» werden zur Lehrstunde in Sachen Textdurchdringung und Belcanto-Gesang. Bartoli ist anhand ihres Strahlens auf der Bühne anzusehen, welche Freude ihr der Auftritt macht. Mit ähnlich unbändiger Spielfreude und hohem stilistische Können geben Ildar Abdrazakov den Mustafà und Nicola Alaimo den Taddeo. Lawrence Brownlee lässt sich von der allgemeinen Spielfreude anstecken und singt den besten Lindoro der bisherigen Serie. Ilya Altukhov, Rebeca Olvera und Siena Licht Miller ergänzen das grossartige Ensemble als Haly, Elvira und Zulma.

Der Chor der Oper Zürich begeistert weiterhin als Bauchtänzer und Fussballmannschaft, das Orchestra La Scintilla unter musikalischer Leitung von Gianluca Capuano.

Weiterhin uneingeschränktes Vergnügen.

Weitere Aufführungen: Di. 15. März, 19.00; Do. 17. März, 19.00; So. 20. März, 20.00; Fr. 25. März, 20.00; Do. 31. März, 20.00; Di. 05. April, 19.00.

15.03.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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