Gioacchino Rossini: L’italiana in Algeri • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 10.03.2022
(3. Vorstellung • Premiere am 06.03.2022)
Ein Vergnügen, von dem man kaum genug bekommen kann
Die Inszenierungen von Moshe Leiser und Patrice Caurier gehören zu jenen Arbeiten, denen man sich problemlos mehrfach stellen kann, weil sie so sensibel, musikalisch und reichhaltig gearbeitet sind. Es gibt so viel zu realisieren und zu beobachten, dass ein Vorstellung kaum genügt.
Foto © Monika Rittershaus
Moshe Leiser und Patrice Caurier (Inszenierung) arbeiten bei dieser «L’italiana in Algeri» sensibel mit den Klischees, die der Zuschauer mit Nordafrika verbindet, können diese aber auch brechen. Da wäre einmal der Ruf des Muezzins oder der Klang der lokalen Sprache, wenn sich die Bewohner der gezeigten Gasse durch Lindoros Kavatine „Languir per una bella“ gestört fühlen. Gebrochen wird das Klischee mit der Figur der Isabella, denn diese, die Haly mit den Seinen gefangen hat, wird nicht wie die Männer unter einem Tuch grob durch die Gasse gescheucht, sondern reitet unverschleiert und selbstbewusst auf einem Kamel auf die Bühne. Hier vergessen die Händler das ihnen zugeschriebene Klischee (Benachteiligung der Frauen) und werden, wenn sie die schöne Italienerin begaffen, wie schon Mustafà, Opfer ihrer Begierde. Christian Fenouillat (Bühnenbild) hat dazu die Front eines städtischen Hauses gestaltet, die ganz den Klischees entspricht: Fehlender Putz, kein Vorhang kommt zweimal vor, zahlreiche Satellitenschüsseln und im Erdgeschoss Geschäftslokale. Man beobachte nur einmal, wie liebevoll detailverliebt diese Läden eingerichtet sind. Die herrlichen Kostüme stammen von Agostino Cavalca. Isabella ist in ihrem roten Sommerkleid mit Blumenmuster und Strohhut ganz die «rassige» (Helvetismus für «attraktiv») Italienerin, während Taddeo mit kurzer Hose, offenem Hemd, Tennissocken, Sandalen und Bauchgurt ganz dem Klischee des unsensiblen Touristen entspricht. Das Fehlen eines Foto-Apparats oder einer Videokamera zeigt, dass mit Augenmass gearbeitet und nicht einfach aus dem Vollen geschöpft wurde.
Cecilia Bartolis Leistung als Isabella ist immer noch singulär. Die Stimme sitzt, ist wie eh und je perfekt geführt und bewundernswert gelenkig. Unerreicht ist ihre musikalische Gestaltung der Partie und die damit verbundene, intensive Bühnenpräsenz. Pietro Spagnoli, eben noch im Turco als Prosdocimo auf der Bühne, hat zum ersten Mal die Partie des Mustafà übernommen. Seine Stimme ist nicht ganz so gross und dunkel wie jene von Ildar Abdrazakov, was seiner Rollengestaltung zugutekommt. Spagnoli überzeugt mit der Wärme seiner Stimme, seinem grossen komödiantischen Talent und vor allem der intensiven Gestaltung jeder Phrase. Lawrence Brownlee als Lindoro bleibt Geschmacksache. Die Stimme ist höhensicher, die Tongebung an diesem Abend aber gepresst und gaumig und mit reichlich Vibrato geführt. Nicola Alaimo gibt den Taddeo mit elegant geführtem Bariton und brilliert schauspielerisch als Klischee-Tourist mit Bauchgurt und Ganzkörper-Sonnenbrand (Kompliment an die Maske!). Ilya Altukhov besingt als Haly prächtig die Frauen Italiens. Rebeca Olvera singt die Elvira mit leichtem, kräftigen Sopran. Trotz vollem Einsatz aller weiblichen Reize verliert sie Mustafà, bis er über seine eigene Begierde stolpert. Siena Licht Miller ergänzt das Ensemble als Zulma.
Herrlich anzusehen – und anzuhören – ist, mit welcher Spielfreude, man möchte fast sagen mit welchem Genuss, der Chor der Oper Zürich auf der Bühne agiert. Unterstützt vom Statistenverein am Opernhaus Zürich ist beeindruckend zu sehen, wie flexibel sie von der Bauchtänzerin zum Spieler der Squadra Azzurra werden.
Mit enormer Spritzigkeit, unerhörter Farbigkeit und leidenschaftlichem Spiel verleiht das Orchestra La Scintilla unter Leitung von Gianluca Capuano zahlreiche neue Facetten. Bravissimi!
Ein Vergnügen, von dem man kaum genug bekommen kann!
Weitere Aufführungen:
So. 13. März, 19.00; Di. 15. März, 19.00; Do. 17. März, 19.00; So. 20. März, 20.00; Fr. 25. März, 20.00; Do. 31. März, 20.00; Di. 05. April, 19.00.
11.03.2022, Jan Krobot/Zürich