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ZÜRICH/ Opernhaus: LIEDERABEND NEO NUCCI. Der „alte Fuchs“ zeigte es allen

04.11.2016 | Konzert/Liederabende

Zürich Opernhaus: Liederabend Leo Nucci – 3.11.2016    

Leo Nucci… Der „alte Fuchs“ zeigte es allen

NUCCI by R.Ricci - 0858
Leo Nucci. Foto: R. Ricci

Da war er also wieder, der „alte Fuchs“ Leo Nucci – und das ist durchaus als Kompliment gemeint. Denn niemand macht ihm etwas vor. So weigerte er sich mehrmals in merkwürdigen Inszenierungen aufzutreten… Nach dem ersten Wettbewerbs-Preis 1967 mit seinem Debut als Figaro (Rossini) hätte er eine glänzende Karriere absolvieren können. Doch er ging in den Mailänder Opernchor, nahm weiter Gesangsunterricht und debütierte als Rigoletto, mit dem er 1976 an der Mailänder Scala einen grandiosen Erfolg hatte, der ihm Tür und Tor der Bühnen in aller Welt eröffnete. Seine „Schicksalsrolle“, wohlgemerkt Rigoletto, sang er über 450 Mal, davon in 31 Jahren in der Arena di Verona in über 100 Vorstellungen. Die grossen Verdi-Partien machten ihn weltberühmt. Doch auch im komischen Fach überzeugte er, so insbesondere als Malatesta und – wer erinnert sich nicht gerne – an seinen köstlichen Gianni Schicchi hier in Zürich.

Eben an diese Stätte seiner jahrelangen Triumphe kehrte er mit einem Liederabend zurück, frenetisch vom Publikum und von seinen begeisterten Fans begrüsst. Als Begleitung hatte er das Italian Opera Chamber Ensemble unter Leitung von Paolo Marcarini mitgebracht, wofür letzterer kammermusikalische Arrangements für Streichquartett, Harfe und Klavier eingerichtet hatte.

Der 1. Teil des Programms war Werken Giuseppe Verdis gewidmet, wobei Leo Nucci Arien aus den Opern Rigoletto (Pari siamo), Macbeth (Mal per me) mit zwei „Arie da camera“ kombinierte. Nucci war sogleich mächtig bei Stimme und beglückte uns mit absolut sicherer Höhe, besann sich aber auch immer wieder auf eine immer noch klingende Mittellage und einem kultivierten Gesang. Da waren alle Komponenten, die einen grossen Sänger ausmachen: perfekter Stimmsitz, reicher Obertonklang, klare Diktion, Verankerung im ganzen Körper. Dazwischen spielte das Ensemble, das sich früher „Il salotto“ nannte und mitunter – mit Verlaub gesagt – auch so klang, Arrangements aus „Aida“ und „Falstaff“.

Nach der Pause ging’s dann mit dem Bergamasker Meister Gaetano Donizetti weiter, und da blühte dann die Stimme Leo Nuccis erst recht auf. Es wäre, als hätten ihn die leicht verschatteten Melodien Donizettis zu mehr stimmlichen Schattierungen und musikalischen Phrasierungen veranlasst und die Stimme flexibler und weicher gemacht. Da hörte man eine fulminante „Cruda, funesta smania“ aus der „Lucia“, eine hinreissend gesungene Arie des Malatesta aus „Don Pasquale“, wo sich der ganze Witz und auch etwas Hinterhältigkeit des Intriganten manifestierten. Ein hübsches Ensemble-Arrangement hörte man mit „Le Donne“, wo der Pianist und Komponist Paolo Marcarini die Frauen Norina, Lucia und – so viel man erkennen konnte – Lucrezia mit ihren Arien zitierte: eine sehr gelungene Sache! Offenbar eignet sich Donizetti besser zu solchen Arrangements als die gross angelegten Partituren Verdis. Eine Überraschung gab‘s mit der wunderbar melancholischen Arie „O Lisbona, alfin ti miro“ aus Donizettis selten gespielter Oper „Don Sebastiano“ – ein Werk, das es unbedingt zu entdecken gilt! – und zum Abschluss des offiziellen Programms die Arie des Alfonso „Vien‘ Leonora“ aus „La Favorita“. Dazwischen wieder das Instrumental-Ensemble, diesmal mit dem original besetzten Streichquartetts Nr. 13 von Donizetti – ein charmantes Werk des grossen Opernmeisters. 

Leo Nucci wäre nicht Leo Nucci, wenn er nicht grosszügig Zugaben spendete, die zu einem 3. Teil des Abends gerieten. Das war zuerst die Auftritts-Cavatina des Figaro (Rossini), wo der auch immer in Körperhaltung und Gestik des entsprechenden Charakters gestaltende Künstler unglaubliche Flexibilität der Stimm-Behandlung und Witz demonstrierte. Mit Posas Tod in weiten Gesangsbögen und der dramatisch aufgeladenen Szene „Cortigiani“ des Rigoletto riss Nucci zu wahren Begeisterungsstürmen hin. Dann gab’s noch einen Verismo, nämlich „Nemico della patria“, das Arioso des Gérard aus Giordanis „Andrea Chenier“, wo Nucci am Schluss eines höchst anspruchsvollen Abends noch einmal seine an unverminderter Strahlkraft felsenfeste Höhe zeigen konnte. Mit „Non ti scordar mai di me“ (Casalino/Ferro) verabschiedete sich Leo Nucci mit mediterraner Grandezza und charmanter Italianità vom frenetisch applaudierenden Publikum.

John H. Mueller        

 

 

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