Liederabend Franco Fagioli • Opernhaus Zürich • 09.10.2025
Virtuosität in Reinform
Mit Franco Fagioli ist einer der führenden Countertenöre der Gegenwart zu einem Liederabend zu Gast am Opernhaus Zürich. Im ersten Teil des Abends präsentiert Fagioli chronologisch geordnet Arien aus dem Barock und Mozarts letzter Oper «La clemenza di Tito». Im zweiten Teil kommt mit Bellini, Donizetti, Rossini und Mercadante der Belcanto zum Zuge.
Foto © Julian Laidig
Franco Fagioli beginnt den Abend mit «Delizie contente» Francesco Cavallis (1602–1676) «Giasone» (Drama musicale in einem Prolog und drei Akten). Die Handlung der Oper basiert auf der Argonautensage der griechischen Mythologie: Auf Kolchis angekommen träumt Jason von den Genüssen der Liebe. Wunderbar schwärmerisch leicht macht Fagioli diesen Traum für jeden Zuhörer nachvollziehbar. Als zweiten Beitrag des Abends wählt Fagioli «Già il sole dal Gange» aus Alessandro Scarlattis (1660-1725) zweiter Oper, dem Dramma per musica in drei Akten «L’honestà negli amori». Die Arie beschreibt, wie der Page Saldino in Algerien den Sonnenaufgang bewundert. Die Stimme strahlt mit der beschriebenen Sonne um die Wette und Fagioli legt ein erstes beeindruckendes Zeugnis seiner Virtuosität ab. Es folgt «Intorno all’ idol mio» aus Antonio Cestis (1623 –1669) «L’Orontea», ein von Fagioli durch inniges Empfinden charakterisiertes, in Musik gefasstes Liebesgeständnis. Es ist nicht eindeutig überliefert, aus welcher Oper Antonio Lottis (1667-1740) «Pur dicesti, o bocca bella“ stammt. Heute noch bekannt ist die von Fagioli lebhaft schwärmerisch, klar und rein vorgetragene Arie durch die Sammlung «Arie Antiche» von Alessandro Parisotti aus dem Jahr 1885. Atemberaubend virtuos mit gestochen scharfen Koloraturen und mit beeindruckenden Tiefen und kristallklaren Höhen gelingt Fagioli «Di speranza un bel raggio… Venti, turbini» aus Georg Friedrich Händels (1685–1759) «Rinaldo». Mit gesundem, schon in der Sängerbegleitung aufblitzendem Selbstbewusstsein gestaltet Michele d’Elia am Piano die Sonate für Klavier g-Moll K 347 von Domenico Scarlatti (1685–1757). Überzeugend drückt Fagioli die Verzweiflung in «Sposa, non mi conosci» aus Geminiano Giacomellis (1692–1740) «La Merope» aus. Mit «Parto, ma tu ben mio» aus Mozarts «La clemenza di Tito» entlässt Fagioli das begeisterte Auditorium in die Pause.
Nach der Pause widmete sich Fagioli mit seiner souverän-virtuosen Technik dem für die «letzten Kastraten» im frühen 19. Jahrhundert entstandenen Belcanto-Repertoire. Mit strahlend auftrumpfender Stimme interpretiert Fagioli Vincenzo Bellinis (1801–1835) «Ma rendi pur contento» und «Malinconia, ninfa gentile», zwei Glanzlichter, die viel zu schnell vorbei sind. «Amore e morte» und «Amor marinaro» von Gaetano Donizetti (1797–1848) kostet Fagioli genüsslich aus und beeindruckt mit klaren, voluminösen Tiefen. Mit «Mura felici» aus Rossinis «La donna del lago» (die man nach der wegen Corona nicht zu Stande gekommenen Aufführung gern in Zürich erleben würde) triumphierte Fagioli mit virtuosem Belcanto. Marche et réminiscences pour mon dernier voyage für Klavier aus Rossinis «Péchés de vieillesse» boten Fagioli eine willkommene Pause. Mit strahlend klar geführter, virtuos-auftrumpfender Stimme wird «Dove m’aggiro… Era felice un dì… Sì bel contento in giubilo» aus Saverio Mercadantes (1795–1870) «Andronico» zum finalen Triumph.
Mit zwei Zugaben bedankte sich Fagioli beim Publikum: «La rosa y el sauce» von Carlos Guastavino (1912-2000) und einem zu Tränen rührendem «Non ti scordar di me» von Ernesto De Curtis (1875-1937).
Die weiteren Liederabende der Saison 2025/2026:
Camilla Nylund, 1. Dezember 2025
Asmik Grigorian, 9. Februar 2026
Michael Volle, 27. April 2026
Piotr Beczała, 31. Mai 2026
Juan Diego Flórez, 15. Juni 2026
16.10.2025, Jan Krobot/Zürich