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ZÜRICH/ Opernhaus: LIEDERABEND ERWIN SCHROTT. Vom Schein und vom Sein

09.02.2024 | Konzert/Liederabende

Liederabend Erwin Schrott • Opernhaus Zürich • 08.02.2024

Vom Schein und vom Sein

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Foto © https://www.opernhaus.ch/spielplan/kalendarium/liederabend-erwin-schrott/2023-2024/

Aufgabe des Kritikers als kritischer Beobachter ist es, das Gesehene und Gehörte zu analysieren. Unabhängig davon, wie die Mehrheit des Publikums reagiert. Deutlicher als sonst ist hier die Divergenz von erstem Eindruck und Reflexion, von Schein und Sein.

Das Programm des Abends scheint mit Liedern und Arien von Wolfgang Amadeus Mozart, Giuseppe Verdi, Charles Gounod, Carlos Gustavino, Arrigo Boito und Francesco Paolo Tosti ansprechend ausgewogen. Erwin Schrott moderiert den Abend auf französisch und nach der Pause auf englisch, und baut, wenn er sich noch vor dem ersten Beitrag des Jacketts entledigt und die Ärmel hochkrempelt, eine persönliche Beziehung zum Publikum auf. Seinen Pianisten Giulio Zappa lobt er in den höchsten Tönen. Schon mit dem ersten Titel, Mozarts Konzertarie für Bass und Orchester KV 513 «Mentre ti lascio, o figlia», zieht Schrott das Publikum mit seinem kräftigen, wunder frei strömenden Bassbariton in seinen Bann. Giuseppe Verdi ist mit der Romanze No. 1 «Non t’accostare all’urna» aus «Sechs Romanzen für Singstimme und Klavier» (1838) und «Et toi, Palerme» aus «Les vêpres siciliennes» (1855). Charles Gounod ist mit «Que les songs heureux» aus der selten gespielten Oper «Philémon et Baucis» (1850) und «Vous, qui faites l’endormie» und «Le veau d’or est toujours debout» (Das Rondo vom goldenen Kalb) aus «Faust» (1859) vertreten.

Der zweite Teil des Abends beinhaltet die Begegnung mit 6 Liedern («La musica», «Ya me voy a retirar», «Los pájaros», «El clavel del aire blanco», «¡Qué linda la madreselva!» und «La Rosa y el Sauce») des argentinischen Komponisten Carlos Guastavino (1912-2000), dem «Ave Signor» aus Arrigo Boitos «Mefistofele» und drei Liedern («Malia», «Tristezza» und «L’ultima canzone») von Francesco Paolo Tosti. Mit vier Zugaben verabschiedet sich Schrott vom begeisterten Zürcher Publikum.

Den ersten Teil des Abends bestreitet Schrott mit ausufernder Moderation. Es ist ja löblich, dem Pianisten den gebührenden Respekt entgegenzubringen. Es kann aber auch zuviel sein, gerade wenn dem Pianisten nur ein Solo (eine Nummer aus Rossinis «Péchés de vieillesse») gewährt wird. Die Stimme sitzt und trägt im ganzen Raum. Die Textverständlichkeit ist mustergültig. Von Gestaltung ist leider wenig zu entdecken. Was kurz Eindruck macht, entwickelt sich rasch zum anstrengenden, monotonen Einheitsforte. Hat Schrott im ersten Teil ausufernd moderiert, verzichtet er im zweiten Teil fast ganz darauf. Dabei wäre es interessant gewesen, gerade zu den rasch aneinandergereihten Liedern Guastavinos etwas mehr zu erfahren (das Programmheft schweigt dazu). Als Zugaben gibt Schrott die Registerarie des Leporello, den Monolog Philipps aus Don Carlos, ein Lied von Ibert und einen Tango. Wie so oft zeigt sich der Sänger bei den Zugaben deutlich freier als im festgelegten Programm. Hier gelingt sogar Gestaltung.

Es bleibt der Eindruck, dass Schrott ein Mann der Bühne ist.

 

Die weiteren Liederabende der Saison 2023/2024:

Rosa Feola; Iain Burnside, Klavier; Mo. 11. März 2024, 19.00;

Anita Rachvelishvili; Vincenzo Scalera, Klavier; Do. 4. Apr 2024, 19.00;

Piotr Beczała; Helmut Deutsch, Klavier; Mi. 5. Juni 2024, 19.00.

 

11.02.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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